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Beantwortung der Mündl. Anfrage der FDP zur Polizei Niedersachsen

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 15. Juni 2017; Fragestunde Nr. 44

Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport antwortet namens der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen, Dr. Marco Genthe, Jörg Bode und Horst Kortlang (FDP) wie folgt:

Vorbemerkung der Abgeordneten

Schon seit Längerem beklagen sowohl sachkundige Experten als auch Polizeigewerkschaften das mangelnde Training zum Gebrauch von Schusswaffen für Polizeibeamte. So fehle Polizisten die Kompetenz, in Situationen, die den Einsatz von Schusswaffen erfordern, angemessen mit der Schusswaffe umzugehen, und in Stresssituationen präzise mit der Waffe arbeiten zu können (rp-online 18. August 2014)

In Berlin waren im Jahr 2016 fast 1 700 Polizisten ohne Schießtraining. Hauptgrund dafür sei, dass derzeit wegen Pulver-Rückständen und Asbest-Belastung nur 17 von rund 70 Schießbahnen nutzbar seien (rbb-online, 15. März 2017).

Vorbemerkung der Landesregierung

Die Polizeitrainings nehmen in der Aus- und Fortbildung der Polizei Niedersachsen eine herausgehobene Stellung ein, weil sie unmittelbar der Vermeidung und Reduzierung von Gewalt, aber auch der Steigerung der Akzeptanz polizeilichen Einschreitens dienen.

Neben dem Schusswaffeneinsatztraining sind das Systemische Einsatztraining, das einsatzbezogene Fahrtraining sowie das Abwehr- und Zugriffstraining die wichtigsten Säulen des Polizeitrainings für die Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten in Niedersachsen. In ganzheitlicher Vorgehensweise werden die Fähigkeiten in den Trainingsfeldern Stressbewältigung, Kommunikation, Taktik und Eigensicherung, Eingriffstechnik, Nichtschießen/Schießen und Eingriffsrecht vermittelt.

Ziel aller Trainings ist es, durch Vermittlung von Handlungskompetenz ein größtmögliches Maß an Sicherheit für alle Beteiligten bei polizeilichen Einsätzen zu gewährleisten. Die Trainings bauen aufeinander auf, so dass beginnend bei den „handwerklichen“ Fertigkeiten bis zu den komplexen Verhaltenstrainings das richtige Einsatzverhalten erlernt, vertieft und gefestigt wird.

Die Polizeitrainings wurden gemäß Erlass vom 13. Oktober 2016, Az.: 25.12.03051-1/16-PTK, mit Wirkung vom 1. Januar 2017 in einem neuen Polizeitrainingskonzept zusammengefasst.

Dieses Konzept ermöglicht den Trainierenden eine gewisse Flexibilität hinsichtlich der Schwerpunkte ihrer Trainings, indem die Durchführung der Trainingsarten grundsätzlich von dem jeweiligen Bedarf der bzw. des Einzelnen abhängt.

Der besonderen Bedeutung des Schießtrainings wird jedoch in besonderem Maße dadurch Rechnung getragen, dass ausschließlich für diese Trainingsart die Umfänge verbindlich definiert sind.

1. In welchem Umfang (Stunden im Jahr, Abstände zwischen den Übungseinheiten etc.) müssen niedersächsische Polizeibeamte jährlich ein Schießtraining absolvieren?

Bis zum 31. Dezember 2016 war das Trainingsfeld Schusswaffeneinsatztraining durch Erlass vom 16. November 2011, Az.: P 25.12 – 03051-SWET, geregelt. In diesem Konzept wurden zwei Zielgruppen definiert.

Die Zielgruppe „Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte mit Außendiensttätigkeit“ musste folgende Grund- und Mindeststandards erfüllen:

- Erfüllung der Kontrollübungen (Pistole und Maschinenpistole),

- vier Trainingstermine pro Jahr, davon mindestens zwei Termine schulmäßiges bzw. einsatzmäßiges Schießen,

- Durchführung von „Einsatzmäßigem Schießtraining“ und „Einsatztraining“,

- die Dauer eines Trainingstermins orientierte sich an einem statistischen Mittelwert von 30 Minuten pro Teilnehmer und an den verschiedenen Trainingsinhalten.

Für die Zielgruppe „Waffenträger ohne erhöhtes Gefährdungspotenzial“ waren folgende Standards definiert:

- Erfüllung der Kontrollübungen (Pistole und Maschinenpistole),

- zwei Trainingstermine pro Jahr,

- die Dauer eines Trainingstermins orientierte sich an einem statistischen Mittelwert von 30 Minuten pro Teilnehmer und an den verschiedenen Trainingsinhalten.

Die Schusszahl orientierte sich dabei jeweils an Qualität und Inhalt der Trainings.

Seit dem 1. Januar 2017 wird in dem neuen „Polizeitrainingskonzept Niedersachsen“ hinsichtlich der Polizeitrainings zwischen den nachfolgend genannten drei Zielgruppen unterschieden:

a) Alle Polizeivollzugbeamtinnen und -beamten mit Bürgerkontakt, die in Ausübung ihres Dienstes einem erhöhten Gefahrenpotenzial ausgesetzt sind; vorrangig sind die Angehörigen des Einsatz- und Streifendienstes (einschließlich der Verfügungseinheiten) sowie die geschlossenen Einheiten zu trainieren,

b) den weiteren Dienstbereichen, welche differenziert nach ihrem jeweiligen Tätigkeitsfeld zu betrachten sind und

c) sonstigen Waffenträgerinnen und –trägern (z. B. Angehörige von Stabsdienststellen oder Analysestellen).

Jede / jeder Angehörige der Zielgruppe a) hat in 24 Monaten mindestens 40 Zeitstunden Training nachzuweisen. In den 40 Zeitstunden sind enthalten:

- Die Abnahme der Kontrollübung im Schusswaffeneinsatztraining gemäß PDV 211 (alle drei Jahre),

- die Teilnahme an den Trainings Schusswaffeneinsatztraining (mind. 3 Veranstaltungen pro Jahr),

- die Teilnahme an den Trainings für Abwehr- und Zugriffstraining und dem Einsatzfahrtraining,

- die Teilnahme am Systemischen Einsatztraining.

Der Schwerpunkt hat in der Teilnahme / Durchführung des Systemischen Einsatztrainings zu liegen.

Jede / jeder Angehörige der Zielgruppe b) hat in 24 Monaten mindestens 20 Zeitstunden Training nachzuweisen. In den 20 Zeitstunden sind enthalten:

- Die Abnahme der Kontrollübung im Schusswaffeneinsatztraining gemäß PDV 211 (alle drei Jahre),

- die Teilnahme an den Trainings Schusswaffeneinsatztraining (mind. 2 Veranstaltungen pro Jahr),

- die Teilnahme an den Trainings für Abwehr- und Zugriffstraining und dem Einsatzfahrtraining,

- die Teilnahme am Systemischen Einsatztraining.

Der Schwerpunkt hat in der Teilnahme / Durchführung des Systemischen Einsatztrainings zu liegen.

Jede / jeder Angehörige der Zielgruppe c) hat in 24 Monaten mindestens 8 Zeitstunden Training nachzuweisen.

In den 8 Zeitstunden sollte der Schwerpunkt in der Teilnahme am Schusswaffeneinsatztraining liegen.

Bei längerer Nichtteilnahme am Schusswaffeneinsatztraining aus unterschiedlichen Gründen ist das erforderliche Training unmittelbar vor erneuter Aufnahme des Außendienstes zu gewährleisten.

2. Wie viele Polizeibeamte konnten die Vorgaben nicht erfüllen (bitte nach den Jahren 2013 bis 2016 aufschlüsseln)?

Gemäß Ziffer 4.3.5 des bis zum 31.12.2016 gültigen Erlasses vom 16. November 2011 lag die Prüfung der Einhaltung des regelgerechten Schusswaffeneinsatztrainings im Aufgabenbereich der jeweiligen Dienststellenleiterin bzw. des jeweiligen Dienststellenleiters. Eine Verpflichtung zur statistischen Erfassung der Schusswaffeneinsatztrainings gab es im erfragten Zeitraum nicht.

Das Landespolizeipräsidium hat ungeachtet dessen eine diesbezügliche Abfrage bei den Polizeibehörden und der Polizeiakademie Niedersachsen durchgeführt, um auf ggf. dennoch vorhandene Behördenstatistiken zurückgreifen zu können. Im Ergebnis konnten jedoch auf Grund unterschiedlicher Erfassungsparameter der Behörden keine validen Zahlen erhoben werden, aus der eine landesweite Gesamtstatistik hätte erstellt werden können.

Seit dem 1. Januar 2017 werden in dem neuen „Polizeitrainingskonzept Niedersachsen“ gemäß Ziffer 4. („Dokumentation“) die Polizeitrainings in Niedersachsen in der Seminarverwaltungssoftware SEMIRO erfasst, sodass ab diesem Jahr eine Auswertung des Schusswaffeneinsatztrainings vollumfänglich gewährleistet ist.

3. Wie viele Schießstände bzw. Übungsplätze für Polizeibeamte waren bzw. sind in Niedersachsen einsatzbereit bzw. nicht einsatzbereit, und was sind die Gründe dafür (bitte nach den Jahren 2013 bis 2016 aufschlüsseln)?

Die Polizei Niedersachsen verfügt heute über landeseigene Raumschießanlagen (RSA) an 29 Standorten und nutzt darüber hinaus 24 angemietete Schießanlagen.

An die Betriebssicherheit, insbesondere der landeseigenen RSA, werden äußerst hohe Anforderungen gestellt um zu jederzeit den Schutz der darin tätigen Menschen zu gewährleisten. So werden die Anlagen in regelmäßigen Intervallen von zertifizierten Schießstättensachverständigen des Schießstättenmanagements der Zentralen Polizeidirektion Niedersachsen begutachtet. Mängel, die zu einer erheblichen Gefahr für Leib oder Leben führen können, haben die umgehende Schließung der Anlage zur Folge. Eine Wiederinbetriebnahme erfolgt erst nach Behebung des Mangels und nach einer erneuten Abnahme bzw. Freigabe durch einen Schießstättensachverständigen.

In den vergangen Jahren wurden im Rahmen dieser regelmäßigen Begutachtungen in einigen Anlagen teilweise erhebliche bauliche Brandschutzmängel identifiziert, die zur sofortigen Schließung der jeweiligen Anlagen führten. In 2013 waren hiervon sechs der seinerzeit noch 31 landeseigenen Anlagen betroffen. Vier dieser Anlagen konnten zwischenzeitlich umfänglich saniert werden und stehen wieder für die polizeilichen Trainings zur Verfügung. Für zwei Standorte ist eine Sanierung nicht vorgesehen: Die Raumschießanlagen in der ehem. Polizeiliegenschaft in Wennigser Mark sind ebenso wie die auf der Liegenschaft befindlichen Gebäude vollständig abgängig, für die RSA in Emden konnte und kann eine hinreichende Auslastung der Anlage nicht nachgewiesen werden. Seit Frühjahr 2015 ist eine der beiden RSAen der Polizei in Braunschweig ebenfalls dauerhaft geschlossen worden. Von einer Sanierung dieser Anlage wird abgesehen, da diese in Korrelation zur Auslastung nicht wirtschaftlich durchgeführt werden könnte, der Standort Braunschweig mit RSA bleibt dabei bezüglich der o. g. Gesamtzahl bestehen.

In 2016 waren neben den drei dauerhaft geschlossenen Anlagen weitere neun RSAen von der Schließung betroffen. Ursächlichen waren ebenfalls bauliche Brandschutzmängel. Ein Großteil dieser Mängel entstand, da die Brandschutzzertifizierung des in den Anlagen vorhandenen Bodenbelages entfallen war. Für alle neun Anlagen hat das Nds. Finanzministerium die Bauverwaltung mit der Durchführung der erforderlichen Maßnahmen beauftragt. Diese befinden sich bereits in Ausführung oder sind kurzfristig zu erwarten.

Die Schließungszeiträume der landeseigenen Raumschießanlagen in den Jahren 2013 bis 2016 sind in der nachstehenden Tabelle zu entnehmen. Dargestellt sind nur Zeiträume, die über kurzzeitige Schließungen für Instandhaltungsarbeiten hinausgehen. Dauerhafte Schließungen der von der Polizei derzeit angemieteten Schießanlagen sind hier nicht bekannt.

Presseinformation
Tabelle  

Artikel-Informationen

erstellt am:
15.06.2017

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