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Beantwortung der Mündl. Anfrage der FDP zum G20-Gipfel


Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 17. August 2017; Fragestunde Nr. 31

Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport antwortet namens der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Jan-Christoph Oetjen, Dr. Marco Genthe, Jörg Bode, Dr. Stefan Birkner und Christian Grascha (FDP) wie folgt:

Vorbemerkung der Abgeordneten

Anlässlich des G 20-Gipfels in Hamburg kam es zu massiven Ausschreitungen. Ganze Straßenzüge würden verwüstet, Barrikaden errichtet und in Brand gesetzt sowie Geschäfte geplündert. In einem Zeit-Online-Artikel vom 19. Juli 2017 zieht der Einsatzleiter der Hamburger Polizei, Hartmut Dudde, die traurige Bilanz von 345 angezeigten Straftaten und 592 verletzten Polizeibeamten durch Fremdeinwirkung. Die Gewaltexzesse wurden maßgeblich von Linksextremisten und Autonomen verübt. Innenminister Pistorius mutmaßt in einem Interview am 17. Juli 2017 mit der Braunschweiger Zeitung, dass zwei Drittel der in Niedersachsen gewaltbereiten Autonomen bei den Krawallen in Hamburg dabei gewesen sein könnten.

Sogenannte autonome Zentren sind nach Angaben der Bundeszentrale für politische Bildung „die Herzen der militanten linksextremistischen Szene. Ihre Betreiber betrachten sie als Mittel, um die bestehende politische Ordnung zu beseitigen.“

1.Wie viele autonome Zentren gibt es derzeit in Niedersachsen (bitte mit Bezeichnung und Angabe des Standorts der „Einrichtung“)?

Im Sinne der mündlichen Anfrage sind „Autonome Zentren“ Versammlungs- und Veranstaltungszentren – ggf. auch mit zusätzlicher Nutzung als Wohnstätte –, die sich selber als Autonome Zentren verstehen und deren Nutzer sich mehrheitlich mit den ideologischen Grundsätzen der linksextremistischen Szene identifizieren. Die Räumlichkeiten des Autonomen Zentrums werden selbstverwaltet und parallel von mehreren Gruppen regelmäßig mit unterschiedlichen Schwerpunkten genutzt. Dabei entstammen nicht alle Nutzer, die insofern an Veranstaltungen (Konzerte, Vorträge etc.) teilnehmen, der Autonomen Szene. Als Autonome Zentren im Sinne der Anfrage sind in Niedersachsen folgende Zentren bekannt:

•Aktions- und Kommunikationszentrum Alhambra, Oldenburg

•Antifaschistisches Café, Braunschweig

•Autonome Zentrum (AZ, auch Substanz genannt), Osnabrück

•Infocafé Anna&Arthur, Lüneburg

•Jugendzentrum Innenstadt (JuzI),Göttingen

•Unabhängige Jugendzentrum Kornstraße (UJZ Korn), Hannover

2.Haben diese autonomen Zentren in den Jahren 2015, 2016 und 2017 staatliche Mittel erhalten, wenn ja, bitte aufschlüsseln nach Zuwendungsgeber (Land, Kommune oder sonstige Einrichtung, z. B. Trägerverein)?

In einer kurzfristig durchgeführten Abfrage bei den Kommunen und den beteiligten Ressorts konnten die nachfolgenden Förderungen erhoben werden:

Haushaltsjahr 2015





Summe

Zuwendungsgeber

Einrichtung

71.194 €

Stadt Göttingen

Jugendzentrum Innenstadt

32.888 €

Landeshauptstadt Hannover

UJZ Kornstraße

2.500 €

(Projekt: „UJZ-Korn barrierefrei)

Landeshauptstadt Hannover

Bezirksrat Nord

Verein zur Förderung politi-scher Jugendkulturen e. V.

(Trägerverein UJZ Korn-straße)

25.241 €

(Projekt: „UJZ-Korn barrierefrei)

Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur

Verein zur Förderung politischer Jugendkulturen e. V.

(Trägerverein UJZ Kornstraße)




Haushaltsjahr 2016





Summe

Zuwendungsgeber

Einrichtung

71.194 €

Stadt Göttingen

Jugendzentrum Innenstadt

32.888 €

Landeshauptstadt Hannover

UJZ Kornstraße




Haushaltsjahr 2017





Summe

Zuwendungsgeber

Einrichtung

71.194 €

Stadt Göttingen

Jugendzentrum Innenstadt

32.888 €

Landeshauptstadt Hannover

UJZ Kornstraße

2.280 €

Stadt Osnabrück

FrAZ e.V.

(Trägerverein Autonomes Zentrum „Substanz“)


Stadt Oldenburg

Fehlanzeige für 2015, 2016, 2017



Stadt Lüneburg

Fehlanzeige für 2015, 2016, 2017



Stadt Osnabrück

Fehlanzeige für 2015, 2016




3.Gibt es konkrete Angebote der Landesregierung für eine gezielte Präventionsarbeit gegen Linksextremismus in autonomen Zentren - mit oder ohne Kooperationspartner vor Ort, falls ja, bitte mit Angabe des autonomen Zentrums und genauer Darstellung der Präventionsmaßnahme?

Im Rahmen der Beantwortung der Dringlichen Anfrage „Linksextremismus - Wie geht es weiter mit der Prävention? - Anfrage der Fraktion der CDU“ (Drs. 17/6724) sind die Maßnahmen der Landesregierung zur Prävention im Phänomenbereich Linksextremismus dargelegt worden.

Mit der Einrichtung des Referatsteils Prävention zu Beginn des Jahres 2014 hat der Niedersächsische Verfassungsschutz vielseitige Aufgaben aus dem Bereich der Prävention übernommen. Die Präventionsarbeit des Nds. Verfassungsschutzes im Bereich Linksextremismus erfolgt vor allem durch Informationsvermittlung in Form von Veranstaltungen und Fachvorträgen. Neben den Informationen über Linksextremismus im jährlich erscheinenden Verfassungsschutzbericht stellt der Nds. Verfassungsschutz konkret auf den Linksextremismus bezogene Publikationen der Öffentlichkeit im Rahmen der Vorträge und Veranstaltungen oder auf Anfrage kostenfrei zur Verfügung. Bislang veröffentlicht wurde das Informationsfaltblatt „Linksextremismus“ und die Broschüre „Vom Autonomen zum Postautonomen?“.

Die polizeiliche Prävention in diesem Phänomenbereich erfolgt, Bezug nehmend auf die o. a. Anfrage, insbesondere durch die Präventionsstelle Politisch Motivierte Kriminalität (PPMK) im LKA Niedersachsen durch Aufklärung, unter anderem durch Publikationen, Fachinformationen und Vortragsveranstaltungen. Im vorliegenden Kontext wird ferner auf die Kampagne des Programms Polizeiliche Kriminalprävention (ProPK) „Demo ja – Gewalt nein“ und den Internetleitfaden von ProPK zum Thema Linksextremismus (online abrufbar: http://www.polizei-beratung.de/themen-undtipps/linksextremismus.html) hingewiesen. Gezielte präventivpolizeiliche Maßnahmen werden fortlaufend geprüft.

Leitgedanke eines jeden Präventionsansatzes sind Interdisziplinarität und die Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure. Interdisziplinarität ist dem Gedanken verpflichtet, dass Extremismus-Prävention zwingend im Sinne eines gesamtgesellschaftlichen Ansatzes geplant werden muss, wenn sie erfolgreich sein soll; der Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure liegt die Einsicht zugrunde, dass Präventionsarbeit nur dann nachhaltige Wirkung erzielen kann, wenn sie von bürgerlichem Engagement mitgetragen wird. Diese Maßnahmen dienen der Sensibilisierung und der Schaffung eines Problembewusstseins hinsichtlich linksextremistischer Ideologie und Aktionsformen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Nds. Verfassungsschutzes stehen auf Nachfrage als Referentinnen und Referenten zur Verfügung. Im Gegensatz zu den Phänomenbereichen Salafismus und Rechtsextremismus, besteht beim Linksextremismus allerdings keine vergleichbare Nachfrage an entsprechenden Präventionsangeboten. Dessen ungeachtet versucht der Nds. Verfassungsschutz mit seinen Veranstaltungen immer wieder auf ein Problembewusstsein im Hinblick auf Entwicklungstendenzen im Linksextremismus hinzuwirken.

Bislang fehlt es noch an fundierten Forschungsergebnissen zu linksextremistischen Radikalisierungsprozessen, welche die Voraussetzung für einen umfassenden Präventionsansatz darstellen. Mit der in 2016 an der Universität Göttingen eingerichteten Dokumentationsstelle zur Analyse von Demokratiefeindlichkeit und politisch motivierter Gewalt wird diesem Forschungsdefizit entgegengewirkt. Neben Rechtsextremismus und Islamismus/Salafismus wird die linksextremistische Szene empirisch erforscht. Dazu stellt der Nds. Verfassungsschutz der Dokumentationsstelle die offen zugänglichen Materialien aus den eigenen Beständen zur Verfügung. Die Forschungsergebnisse können Einblicke in die Faktoren der linksextremistischen Radikalisierung geben und somit Grundlage für die Entwicklung weiterer entsprechender Präventionskonzepte darstellen.

Das Niedersächsische Kultusministerium ist mit seinen Maßnahmen der politischen Bildung in vielerlei Hinsicht im Feld der Radikalisierungs- und Extremismusprävention aktiv und unterstützt eine Reihe von Projekten und Programmen. Dies sind insbesondere Maßnahmen der politischen Bildung mit primär-präventiver Wirkung, die alle Schülerinnen und Schüler adressieren und auf die Stärkung erwünschter demokratischer Haltungen hinwirken. Das bedeutet insbesondere die Stärkung von Partizipation, Teilhabe, Toleranz, Weltoffenheit und Wertschätzung. Solche Maßnahmen richten sich gegen jede Form von Extremismus und Radikalisierung, schließen also den Rechts- und Linksextremismus sowie den religiösen Extremismus mit ein.


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Artikel-Informationen

erstellt am:
17.08.2017

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