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Beantwortung der Mündl. Anfrage der CDU zu Mehrfachidentitäten

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 17. August 2017; Fragestunde Nr. 20

Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport antwortet namens der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Editha Lorberg (CDU)wie folgt:

Vorbemerkung der Abgeordneten

Der NDR berichtete am 22. Januar 2017 („Wollte Aufnahmebehörde Sozialbetrug vertuschen?“) über die Vorwürfe einer ehemaligen Mitarbeiterin der Landesaufnahmebehörde in Braunschweig. In mehr als 300 Fällen von Sozialbetrug durch Asylbewerber soll die Standortleitung entsprechenden Hinweisen nicht nachgegangen sein. Sie soll sogar die weitere Aufklärung durch die ehemalige Mitarbeiterin untersagt haben. Später unterrichtete die Landesregierung, dass die Standortleitung ein Problem darin sah, dass die Verdächtigen ausschließlich Sudanesen seien.

Der Bund der Steuerzahler erstellte Strafanzeige wegen Untreue gegen die Leitung des Standortes der Landesaufnahmebehörde. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat hierzu Ermittlungen aufgenommen. Die SOKO ZERM hat Ermittlungen zu den Fällen des Sozialbetruges durch die Beantragung von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz aufgenommen.

Vorbemerkung der Landesregierung

Im Zusammenhang mit den Verdachtsfällen von Sozialleistungsbetrug in der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI) am Standort Braunschweig hat die Landesregierung den Ausschuss für Inneres und Sport in öffentlicher und nichtöffentlicher Sitzung am 27. Januar 2017 informiert. Weitere Unterrichtungen hierzu erfolgten in der 119. Sitzung des Niedersächsischen Landtages vom 01. Februar 2017 anlässlich einer Aktuellen Stunde (Drs. 17/7314) sowie in dessen 120. Sitzung vom 02. Februar im Rahmen einer Dringlichen Anfrage (Drs. 17/7318). Die letzte Unterrichtung erfolgte in öffentlicher und nichtöffentlicher Sitzung des Ausschuss für Inneres und Sport vom 27. April 2017. Auf die bereits mitgeteilten Informationen der Landesregierung zum Thema wird Bezug genommen.

Das Bestreben der niedersächsischen Strafverfolgungsbehörden, den Sachverhalt umfassend und zeitnah aufzuklären, wird seitens der Landesregierung weiterhin unterstützt.

1.Welchen Stand haben die Ermittlungen und das Strafverfahren gegen die Leitung des Standortes Braunschweig der Landesaufnahmebehörde?

Die strafrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig dauern an. Die bisherigen Zeugenaussagen und weiteren Ermittlungsergebnisse werden tatsächlich und rechtlich ausgewertet.

Um die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden nicht zu beeinträchtigen, können Erkenntnisse zum Inhalt und aktuellen Verfahrensstand im Einzelnen nicht öffentlich mitgeteilt werden.

Das Disziplinarverfahren ist bis zum Abschluss des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ausgesetzt.

2.Welchen Stand haben die Ermittlungen der SOKO ZERM in Braunschweig und/oder der Staatsanwaltschaft wegen der in diesem Zusammenhang bekannt gewordenen Vorwürfe des Sozialmissbrauches?

Grundsätzlich handelt es sich um eine Vielzahl von Ermittlungsverfahren mit unterschiedlichsten Konstellationen, weil in jedem „Verdachtsfall“ sowohl die Anzahl der Aliasidentitäten, die Zuweisungsorte, die betroffenen Sozialbehörden sowie die beantragten bzw. erhaltenen Sozialleistungen erheblich differieren können. Bereits wegen des daraus resultierenden, unterschiedlichen Ermittlungsaufwandes befinden sich die Ermittlungsverfahren in unterschiedlichen Stadien. Des Weiteren werden die Ermittlungsverfahren je nach Wohnort des Beschuldigten auch an Staatsanwaltschaften anderer Bundesländer abgegeben und dort abschließend bearbeitet.

Mit Stand 10.08.2017 teilte die Polizeiinspektion Braunschweig mit, dass von den am 01.06.2016 durch die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI) in Braunschweig übergebenen 520 Verdachtsfällen des Sozialleistungsbetruges in insgesamt 518 Fällen strafrechtliche Bezüge festgestellt wurden. In einem Fall wurde eine Doppelung mit einem anderen Verfahren erkannt. Von diesen 517 Fällen befinden sich insgesamt 207 Verfahren in der Bearbeitung der Soko ZERM in Braunschweig. 178 Fälle werden ermittlungsunterstützend temporär durch die LAB NI bearbeitet, 55 Fälle wurden durch die Soko ZERM an die zuständigen Staatsanwaltschaften in Niedersachsen abgegeben, wobei im Einzelfall von dort eine Weitergabe an andere Staatsanwaltschaften – auch außerhalb Niedersachsens – erfolgt ist. 77 Fälle wurden zuständigkeitshalber an eine andere niedersächsische Polizeidienststelle abgegeben.

Von den im April 2017 übergebenen 119 Verdachtsfällen haben sich aus unterschiedlichen Gründen (Doppelung mit bereits polizeilich erfassten Vorgängen oder unzureichende tatsächliche Anhaltspunkte einer strafbaren Handlung) 95 Verdachtsfälle nicht bestätigt. Die weiteren Fälle befinden sich mit o. a. Stand in der Bearbeitung der Soko ZERM in Braunschweig.

Bei den Niedersächsischen Staatsanwaltschaften werden die wegen Sozialleistungsbetruges im Zusammenhang mit Mehrfachidentitäten geführten Verfahren nicht gesondert statistisch erfasst. Sie müssten daher zur Beantwortung der Frage im Einzelnen die wegen Betruges geführten Verfahren manuell anhand des Akteninhalts auswerten. Die zeit- und personalintensive Maßnahme einer händischen Auswertung aller wegen Betruges geführten Verfahren hätte zur Folge, dass die Kernaufgabe der Strafverfolgungsbehörden, nämlich die zügige und nachhaltige Aufklärung und Verfolgung von Straftaten, litte. Eine solche Auswertung übersteigt daher das zur Beantwortung einer Mündlichen Anfrage Angemessene und Leistbare.

Die Fälle, die seitens der Soko ZERM Braunschweig bereits an die zuständigen Staatsanwaltschaften und Polizeidienststellen in Niedersachsen abgegeben wurden, werden aktuell zunächst durch die Polizei und im Anschluss durch die Justiz im Rahmen des Leistbaren und Zumutbaren händisch aufbereitet und ausgewertet. Der Sachstand wird schriftlich oder im Rahmen einer Unterrichtung im Ausschuss für Inneres und Sport nachgereicht.

3.Wie viele Personen haben durch die Angabe von Mehrfachidentitäten in welcher Höhe Sozialleistungen erhalten? Wenn hierzu keine Statistik geführt wird: Warum nicht?

Die bundesweit einheitlich angewandte Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) weist in diesem Zusammenhang ausschließlich bekannt gewordene Fälle im Deliktsbereich des Sozialleistungsbetrugs aus. Hierzu werden auch die Anzahl der Tatverdächtigen sowie der durch die Polizei ermittelte Schaden erfasst. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass spezielle Begehungsweisen bzw. Formen des Sozialleistungsbetruges, wie z. B. die Nutzung mehrerer Identitäten um sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen, nicht gesondert erfasst werden und auf Grundlage der PKS somit auch nicht recherchiert werden können.

Um die Frage beantworten zu können, müssten seitens der Polizei alle Verfahren händisch überprüft und ausgewertet werden. Da der Großteil der Verfahren noch nicht ausermittelt ist, würde der eingetragene Schaden lediglich einen Zwischenstand ergeben, der in keinem Fall einen validen Wert widerspiegelt. Dasselbe trifft auch auf die Anzahl der Personen zu. Im Zuge der laufenden Ermittlungen werden immer wieder Doppelungen festgestellt, was dazu führt, dass die händisch erhobenen Zahlen keine Beständigkeit aufweisen.

Bei den Niedersächsischen Staatsanwaltschaften müssten zur Beantwortung der Frage die wegen Betruges geführten Verfahren manuell anhand des Akteninhalts ausgewertet werden. Aus den bereits in der Antwort zu Frage 2 dargelegten Gründen übersteigt eine solche Auswertung das zur Beantwortung einer Mündlichen Anfrage Angemessene und Leistbare. Für eine gesonderte einzelfallbezogene statistische Erfassung solcher Verfahren und der daraus folgenden Schadenshöhen besteht justizseitig kein Bedürfnis. Entscheidend für die strafrechtliche Würdigung ist das Unrecht in jedem Einzelfall.

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Artikel-Informationen

erstellt am:
17.08.2017

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