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Beantwortung der Mündl. Anfrage der AfD zur Sicherheitslage in Niedersachsen

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 20. April 2018; Fragestunde Nr. 6

Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport antwortet namens der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Jens Ahrends (AfD) wie folgt:

Vorbemerkung des Abgeordneten

Einerseits empfinden viele Bürgerinnen und Bürger Niedersachsens die Sicherheitslage als angespannt, andererseits erklärt Innenminister Pistorius, Niedersachsen sei so wenig „kriminalitätsbelastet“ wie seit 35 Jahren nicht mehr. Wie erklärt die Landesregierung dann, dass laut PKS 2010 – 2017…

Vorbemerkung der Landesregierung

Niedersachsen war in den letzten 10 Jahren noch nie so sicher wie aktuell. Ausweislich der Polizeilichen Kriminalstatistik wurden im Jahr 2017 insgesamt 526.120 Straftaten und damit 35.843 Straftaten bzw. rund 6,4% weniger als 2016 registriert. Das ist die niedrigste Zahl von Straftaten der letzten 10 Jahre.

Ein Indikator zur Bewertung der Kriminalitätsbelastung ist die sogenannte Häufigkeitszahl. Es handelt sich dabei um einen Wert, der aus der Anzahl der registrierten Straftaten pro 100.000 Einwohner errechnet wird. Sie ist insofern ein Benchmark für das statistische Risiko der Menschen, von einer Straftat betroffen zu sein. Diese Zahl lag im Jahr 2017 bei 6.621. Das ist ein Wert, der seit 1981 und somit seit über 35 Jahren nicht mehr erreicht worden ist. Damit liegt Niedersachsen, wie auch in den Vorjahren, unter dem Bundesdurchschnitt und gehört zu den Ländern in der Bundesrepublik mit einer vergleichsweisen geringen Kriminalitätsbelastung.

Die Zahl der Menschen, die im vergangenen Jahr Opfer einer Straftat wurden, ist deutlich zurückgegangen. Die Zahl lag mit 97.211, nach einem kurzfristigen Anstieg im Jahr 2016, wieder deutlich unter 100.000. Abgesehen vom Jahr 2016 ist somit ein kontinuierlicher und deutlicher Rückgang der Opferzahlen zu verzeichnen.


Die Zahl der Tatverdächtigen nahm im Jahr 2017, ebenso wie bereits 2016, erneut deutlich ab. Konkret wurden 214.727 Tatverdächtige registriert, d.h. 7.365 Tatverdächtige weniger als im Vorjahr. Das entspricht einem Rückgang von rund 3% und einem Tiefstand seit 2008. Auch unter Ausklammerung der ausländerrechtlichen Verstöße ist ein Rückgang von rund 2% zu verzeichnen. Die Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen ist im Vorjahresvergleich um fast 6% gesunken.

Die vorstehenden Aussagen beziehen sich auf die Gesamtkriminalität, während die folgenden Fragen einen sehr kleinen Teil der Gesamtkriminalität betreffen. Beispielsweise betrug der Anteil der Straftaten gegen das Leben im Jahr 2017 0,09% und der Anteil der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung 1,09% an der Gesamtkriminalität. Mit den insofern in Rede stehenden sehr geringen Fallzahlen ist die Möglichkeit starker prozentualer Schwankungen zwischen den einzelnen Berichtsjahren verbunden.

1. die Zahl der bekannt gewordenen Straftaten gegen das Leben seit 2012 um 29,8 % und die bekannt gewordenen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung seit Januar 2017 um 17,6 % angestiegen sind und die bekannt gewordenen Fälle von Mord sich im gleichen Zeitraum mehr als verdoppelt haben?

Die folgende Tabelle gibt einen kurzen Überblick über die Entwicklung der „Straftaten gegen das Leben“ und der „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ zwischen den Jahren 2012 und 2017.

Einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Entwicklung der relevanten Fallzahlen zurückliegender Berichtsjahre in dem Deliktsbereich „Straftaten gegen das Leben“ haben in diesem Kontext die Fälle, im Rahmen derer der Verdacht eines Tötungsdeliktes gegen einen Krankenpfleger aus dem Raum Oldenburg besteht. In den Jahren 2015 bis 2017 sind jeweils zweistellige Fallzahlen und damit in der Summe über 200 Fälle registriert worden.

Dennoch entwickelte sich die Anzahl der Morddelikte in Niedersachsen im Jahr 2017 im Vergleich zum Vorjahr rückläufig.

Hinsichtlich der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung ist festzustellen, dass aufgrund einer Strafrechtsänderung im November 2016 neue bzw. geänderte Strafrechtsnormen im Bereich des Sexualstrafrechts vom Gesetzgeber geschaffen worden sind. Insbesondere der § 177 StGB wurde neu gefasst und der § 184i StGB neu konstituiert. In Folge dessen wurden diesbezüglich allein 973 Fälle registriert, sodass die o.g. Zunahme der Fallzahlen rechnerisch allein auf diese erweiterte Erfassung von Sexualdelikten zurückgeführt werden kann. Insofern ist eine Vergleichbarkeit der Fallzahlen der Sexualdelikte aus dem Jahr 2017 mit den Vorjahreszahlen auf Grund der beschriebenen Änderungen im Strafrecht und damit in der PKS nur bedingt gegeben.

2. die Anzahl der bekannt gewordenen Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung unter Gewaltanwendung von 2016 bis 2017 um 42,6 % gestiegen ist (im Vergleich mit 2015 ist hier sogar ein Anstieg um 64,3 % solch traumatisierender Gewaltdelikte zu verzeichnen)?

Die in der Frage dargestellten Daten beziehen sich auf den Deliktsbereich Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung gemäß §§ 174, 174a, 174b, 174c, 177, 178, 184i, 184j StGB der PKS.

Die genannten prozentualen Veränderungen entsprechen folgenden absoluten Zahlen:

In 2017 wurden 2.368 Fälle in diesem Deliktsbereich registriert. In 2016 waren es 1660 Fälle (Steigerung um 708 Fälle) und in 2015 waren es 1441 Fälle (Steigerung um 927 Fälle).

Der genannte Deliktsbereich umfasst auch die unter Frage 1 genannten Straftaten, sodass auf die Beantwortung der Frage 1 verwiesen wird.

Weiterhin können Änderungen im Anzeigeverhalten der Opfer die Entwicklung der PKS, die das sog. Hellfeld widerspiegelt, maßgeblich beeinflussen. Ergänzend ist festzustellen, dass die Anzahl der Vergewaltigungsdelikte im Jahr 2017 gegenüber dem Vorjahr rückläufig ist (2016: 954 Fälle; 2017: 896 Fälle).

3. sich der prozentuale Anteil nicht deutscher Tatverdächtiger beim Tatbestand „Straftaten gegen das Leben“ von 2010 mit 13,5 % bis zum Jahr 2017 mit 31,6 % mehr als verdoppelt hat?

Im Jahr 2010 wurden insgesamt 526 Tatverdächtige registriert, von denen 71 bzw. 13,5% nichtdeutsche Tatverdächtige waren. Im Jahr 2017 wurden 488 Tatverdächtige im Bereich der Straftaten gegen das Leben registriert, von denen 154 bzw. 31,6% nichtdeutscher Staatsangehörigkeit (NDTV) waren.

Um fundierte Erklärungen für einzelne Entwicklungen in diesem Deliktsbereich zu finden, wäre eine detaillierte Vorgangs- bzw. Verfahrensaktenanalyse erforderlich, die in dem zur Verfügung stehenden Zeitrahmen nicht möglich war.

Straftaten gegen das Leben umfassen ca. 0,1 % der Gesamtkriminalität. Festzustellen ist in diesem Zusammenhang, dass sich Veränderungen bei Phänomenen mit vergleichsweise geringen Fallzahlen in ihrer prozentualen Darstellung überproportionaler auswirken, als Veränderungen bei Phänomenen mit hohen Fallzahlen.

Ferner sollte bei möglichen Analysen berücksichtigt werden, dass sich die Zahl der in Niedersachsen lebenden Nichtdeutschen von 529.158 um 148.232 auf 677.390 vergrößert hat.

Insgesamt sind die Zahl der ermittelten Tatverdächtigen als auch der Anteil der nichtdeutschen Tatverdächtigen im Jahr 2017 im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen.

Presseinformation

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erstellt am:
20.04.2018

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