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Bunte Leitstellen in Niedersachsen

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 22.04.2005; TOP 40 Rede von Innenminister Uwe Schünemann zum Antrag der Fraktion der SPD


Anrede,

Ich freue mich über die Gelegenheit, auch hier meine Überlegungen und Vorstellungen zur Neustrukturierung der Leitstellenlandschaft in Niedersachsen darstellen zu können. In drei Regionalen Leitstellenkonferenzen in den Bereichen Göttingen, Braunschweig, Osnabrück in den vergangenen zwei Wochen habe ich bereits viele Gespräche zu diesem Thema führen können. Regionalkonferenzen in Oldenburg und Lüneburg werden folgen.

Mit diesen Konferenzen gehe ich als Kommunalminister ganz bewusst zuerst auf die Kommunen vor Ort zu, um einen Dialogprozess zu beginnen. In den drei Veranstaltungen war bereits eine weit überwiegende Zustimmung zur notwendigen Reduzierung der Leitstellen deutlich spürbar.

Um es gleich vorweg deutlich zu sagen: wir gehen mit klaren Vorschlägen auf die Kommunen zu. Diese Klarheit mag den einen oder anderen irritiert haben. Sie erleichtert aber den offenen Diskussionsprozess.

Anrede,

in Ihrem Antrag fordern Sie zu einer einvernehmlichen Regelung mit den Kommunen auf. Genau dies will ich im Rahmen dieses Prozesses erreichen. Allerdings bin ich nach den Erfahrungen mit der Verwaltungsreform davon überzeugt, dass es zu einer zielorientierten Diskussion eines konkreten Vorschlages und klarer Rahmenbedingungen bedarf. Nur so sind klare und möglichst optimale Lösungen in einem stringenten Prozess gemeinsam zu erreichen.

Anrede,

unser Konzept sieht Bunte Leitstellen vor, das heißt ein Zusammenschluss der integrierten Feuerwehr- und Rettungsleitstellen mit denen der Polizei.

Wir schlagen vor, dadurch die 77 bestehenden Leitstellen auf 10 bis 12 zu reduzieren, pro Zuständigkeitsbereich einer PD grundsätzlich zwei Leitstellen einzurichten und zunächst zu versuchen, aufgrund der günstigen Rahmenbedingungen im Bereich der Polizeidirektion Braunschweig mit nur einer Leitstelle auszukommen.

Dabei soll es nicht zu einer Aufgabenvermischung kommen; unter Wahrung der jeweiligen rechtlichen und tatsächlichen Selbstständigkeit der verschiedenen Träger sollen die Aufgaben unter Nutzung einer einheitlichen Technik und gemeinsamer Gebäude erledigt werden. Mir ist selbstverständlich klar, dass es ich dabei auch um Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Kommunen handelt und die Organisation dieser kommunalen Aufgaben dadurch verändert wird.

Schon seit geraumer Zeit befasst sich das Innenministerium intensiv mit der Struktur der Leitstellen für Feuerwehr und Rettungsdienst. Gemeinsam mit den Kommunalen Spitzenverbänden, dem Landesfeuerwehrverband, den Hilfsorganisationen und den Krankenkassen ist eine Arbeitsgruppe gebildet worden, die alle Aspekte einer möglichen Leitstellenstruktur für unser Land betrachtet hat. Der abschließende Bericht hat zunächst Optionen geprüft und zeigt detaillierte Möglichkeiten auf, wie die Leitstellenlandschaft aussehen könnte.

Ziel unseres Anliegens ist eine deutliche Steigerung der Sicherheit und der Effektivität von Alarmierung und Einsatzbewältigung. Gerade im Zusammenhang mit der Einführung des Digitalfunks bis zum Jahre 2010 bietet sich hier die einmalige Chance, durch Kombination von Konzentration und neuer Technik die Sicherheitsstandards deutlich zu erhöhen. Hinzu kommt eine Steigerung der schon jetzt vorhandenen Professionalität für alle drei beteiligten Bereiche. Ich erwarte für die Zukunft eine weitere Erhöhung der Leistungsfähigkeit bei gleichzeitiger Verbesserung der Wirt-schaftlichkeit. Das soll keine Kritik an den bestehenden 77 Leitstellen in Niedersachsen sein – ganz im Gegenteil. Die neue Technik setzt aber neue Maßstäbe:

- hier können Alarmierung und Einsatzabwicklung von einer Stelle mit der Möglichkeit der unmittelbaren und sofortigen Beteiligung aller drei Fachbereiche, soweit das im besonderen Einsatzlagen sinnvoll ist auch unter Zusammenschaltung zu einer Funkgruppe erfolgen,

- hier kann ein ausreichend starker Personaleinsatz zu jeder Tages- und Nachtzeit gewährleistet werden,

- hier können Ausgleiche für Belastungsspitzen und Ausfälle geschaffen werden.

Diese überzeugenden Vorteile können wir nicht ignorieren angesichts unserer Verantwortung für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger.

Wenn also verschiedene Landkreise darauf hinweisen, dass dort heute schon leistungsfähige und wirtschaftliche Strukturen vorhanden sind, stelle ich das nicht in Frage. Genauso richtig ist aber auch, dass wir uns aber jetzt für die künftige Sicherheitslandschaft mit Digitalfunk und neu zu entwickelnde Standards aufstellen müssen.

Anrede,

durch den Digitalfunk wird ein effektiverer Einsatz neuer Leitstellentechnik auf einem landesweiten Standard möglich. Durch die Konzentration und Zusammenführung von Leitstellenpersonal und –technik erwarte ich Synergien und damit Vorteile aus der gemeinsamen Nutzung von Technik und Basisdiensten sowie insgesamt eine noch bessere Zusammenarbeit in der Gefahrenabwehr. Eine Umrüstung der vorhandenen 77 Leitstellen auf Digitalfunk würde erhebliche und vermeidbare Kosten für die Kommunen und für das Land mit sich bringen. Wir dürfen nicht vergessen, dass es dabei um Steuergelder und Versichertenbeiträge geht! Sollen wir warten, bis die Kostenträger des Rettungsdienstes eines Tages ihre Kostenanteile reduzieren, weil wir Synergiechancen nicht ergriffen haben?

Es gibt doch konkrete Vorteile, die auf der Hand liegen:

- wir benötigen weniger Gebäude und Räumlichkeiten,

- eine geringere Anzahl von Technikausstattungen,

- die gemeinsame Nutzung von Basistechnik und

- eine einheitliche Infrastruktur für die Informationsgewinnung und die Kommunikation auf der Basis eines einheitlichen landesweiten Einsatzleitsystems optimiert die Zusammenarbeit und ermöglicht die zentrale Pflege von Basisdaten (z. B. Straßenverzeichnisse, Bettennachweise usw.).

Selbst die Übernahme von Teil- und Gesamtaufgaben durch Nachbarleitstellen – etwa bei herausragenden Einsatzlagen – wäre damit problemlos leistbar.

Insgesamt ergibt sich ein geringerer Personalbedarf, eine höhere Auslastung des Personals bei mehr Professionalität und eine gesicherte Bewältigung von Belastungsspitzen wird ermöglicht.

Anrede,

zusammen mit der Sicherheitssteigerung durch die Aufgabenbündelung ergibt das eine klassische "win–win–Situation" mit Vorteilen für alle Beteiligten.

Und das ist kein Theorie – unsere Fachleute im Ministerium haben sich das in den Niederlanden, wo es schon länger Bunte Leitstellen gibt – und in Schleswig-Holstein in einer integrierten Großleitstelle, die auch mit der Polizei kooperieren wird, angeschaut und sich von der Praxis überzeugt.

Anrede,

ohnehin ist die Zusammenarbeit auf Ortsebene zwischen den Beteiligten der nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr bereits jetzt sehr eng. Sie ist auch verzahnt mit den polizeilichen Aufgaben. Ein Großteil der Einsätze berührt Feuerwehr, Rettung und Polizei z. B. bei Unfällen und Bränden mit Personenschaden. Oft kommen die Hilfemeldungen alternativ oder unabhängig voneinander über den Notruf der Polizei "110" und die "112" in der Zuständigkeit der Kommunen und sind zu koordi-nieren. Gute Erfahrungen bestehen auch in der Durchführung von Großveranstaltungen, wie z. B. dem Tag der Niedersachsen, zuletzt in Holzminden.

Durch die Arbeit "face to face" – also im direkten persönlichen Austausch - lässt sich ein viel höheres Maß an Professionalität und Zusammenarbeit erreichen. Es gibt immer wieder Beschwerden von Hilfe suchenden Bürgerinnen und Bürgern, denen im konkreten Notfall bei einer gemeinsam betrachteten Situation schneller und besser hätte geholfen werden können. In einer Bunten Leitstelle können die Aufgaben von Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei im unmittelbaren Kontakt aufeinander abgestimmt werden.

Wenn künftig z. B. ein Notruf über einen Unfall mit eingeklemmten Personen aufläuft, erscheinen die notwendigen Daten auch auf dem Nachbarbildschirm, Alarmierungen werden sofort parallel veranlasst. Der Disponent kann noch weitere wichtige Informationen mündlich weitergeben, kann aber auch mit dem Anrufer länger sprechen, während seine Kollegen von allen drei Bereichen zeitgleich bereits weitere Einsatz- und Alarmmeldungen herausgeben. Aktuelle Lageentwicklungen können unmittelbar ausgetauscht und direkt in die laufende Einsatzbewältigung eingebracht werden. Die direkte Kommunikation führt zu einem Informationsgewinn, der sowohl den Einsatzkräften als auch den Bürgerinnen und Bürgern ein mehr an Sicherheit bringt.

Und noch etwas ganz Entscheidendes:

Beim Ausfall einer Leitstelle oder bei Großschadenslagen erfolgt die Abgabe des Tagesgeschäfts an die Nachbarleitstelle per Knopfdruck – das ist doch ein ganz bedeutender Sicherheitsgewinn!

Dazu kommen erhebliche Einsparmöglichkeiten, erste Modellberechnungen gehen dabei von folgenden Daten aus:

- eine Verringerung des Personals um landesweit 227 Vollzeitkräfte bei den Kommunen; das sind jährliche Einsparungen von ca. 11 Mio. €,

- die Verringerung der Kosten dort für die Umrüstung auf den Digitalfunk um ca. 10 Mio. €,

- weitere Investitionen entfallen durch den Verzicht auf Neubauten in einzelnen Landkreisen,

- durch eine einheitliche Leitstellensoftware für Niedersachsen erwarten wir Redundanz- und Ausschreibungsgewinne.

All diese Faktoren führen natürlich auch zu Synergien und Kostenreduzierungen bei der Polizei.

Die überwiegende Anzahl der Fachleute kommt inzwischen zu dem Ergebnis:

Bunte Leitstellen sind der richtige Weg. Mit der Anzahl von zehn bis zwölf für das ganze Land nutzen wir die Sicherheits- und Einsparvorteile optimal.

Das werden wir im Einzelnen in den Ausschussberatungen an Hand des Entschließungsantrages diskutieren, und ich bin überzeugt, dass auch die Opposition am Ende dieses Prozesses sich der Überzeugung nicht entziehen kann, dass wir mit den Bunten Leitstellen richtig liegen.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
22.04.2005
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010

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