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Beantwortung der Mündl. Anfrage der FDP zum Kirchenasyl in Niedersachsen

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 19. März 2015; Fragestunde Nr. 50 -Innenminister Boris Pistorius beantwortet die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Sylvia Bruns, Almuth von Below-Neufeldt, Björn Försterling, Christian Dürr, Jan-Christoph Oetjen


Die Abgeordneten hatten gefragt:

Das niedersächsische Innenministerium hat sich eindeutig festgelegt, Kirchenasyl zu achten und nicht als „Untertauchen“ zu werten. Dessen ungeachtet soll die Sinnhaftigkeit des Kirchenasyls in jedem Einzelfall gut geprüft werden.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Wie vielen Personen wurde seit dem Jahr 2004 in Niedersachsen Kirchenasyl gewährt?
  2. Inwieweit besteht aus Sicht der Landesregierung gesetzlicher Handlungsbedarf im Hinblick auf die Gewährung von Kirchenasyl?
  3. Hält die Landesregierung es für vertretbar, gegenüber einem ausreisepflichtigen Ausländer, der sich im Kirchenasyl befindet, Abschiebungshaft anzuordnen?

Innenminister Boris Pistorius beantwortet namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:

In der rechtlichen Bewertung des Kirchenasyls gibt es bereits seit mehr als 20 Jahren zwischen den jeweiligen Landesregierungen und den beiden großen christlichen Kirchen einen Konsens in der Feststellung, dass es ein Recht auf Kirchenasyl als eigenes Rechtsinstitut nicht gibt und die Kirchen ein solches Recht für sich auch nicht in Anspruch nehmen. So hat die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannover bereits im Jahr 1994 mit einer Rundverfügung ihre Mitgliedsgemeinden darauf hingewiesen, dass Einzelpersonen oder Kirchenvorstände, die Kirchenasyl gewähren, sich weder auf ein theologisches noch auf ein juristisches Recht auf Kirchenasyl berufen können. Gleichzeitig ist mit der Rundverfügung auf die strafrechtlichen Risiken und Folgen hingewiesen, die mit der Gewährung eines Kirchenasyls verbunden sein können.

Wenn in Einzelfällen Kirchengemeinden aus Gewissensgründen in ihren kirchlichen Räumen Ausreisepflichtigen vorübergehend Unterkunft gewähren, so verzichten die zuständigen Behörden aus Respekt vor den geschützten und der Glaubensausübung dienenden Räume der Kirchen, Klöster und Pfarrhäuser darauf, in diesen Räumen Verwaltungszwangsmaßnahmen zu vollziehen. Diese Haltung hat sich in den vergangenen 20w Jahren als konfliktlösend bewährt. Die Landesregierung sieht deshalb keine Veranlassung, ihre grundsätzliche Haltung zum Umgang mit Kirchenasylfällen zu ändern und weiterhin im engen Dialog mit den Kirchen bleiben.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Es gibt in Niedersachsen keine Meldepflicht für sogenannte Kirchenasylfälle. Zwischen der Konföderation der evangelischen Kirchen in Niedersachsen und der Katholischen Kirche einerseits und dem Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport und den niedersächsischen Ausländerbehörden andererseits gibt es allerdings eine Absprache, sich gegenseitig über bekanntgewordene neue sogenannte Kirchenasylfälle zu unterrichten. Soweit die Fälle im Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport bekannt werden, erfolgt hier eine formlose Erfassung. Danach sind seit dem 18. Mai 2004 insgesamt 67 Kirchenasylfälle mit 123 Personen bekannt geworden.

Zu 2.:

Unter Hinweis auf die Ausführungen in den Vorbemerkungen sieht die Landesregierung keinen gesetzlichen Handlungsbedarf im Hinblick auf die Gewährung von Kirchenasyl.

Zu 3.:

Ausreisepflichtige Personen, bei denen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 AufenthG für die Aussetzung der Abschiebung nicht oder nicht mehr vorliegen und die sich in ein Kirchenasyl begeben, halten sich unerlaubt im Bundesgebiet auf und erfüllen den Straftatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 2 c) AufenthG. Dieser Sachverhalt rechtfertigt auch ohne Vorliegen eines Abschiebungshaftbeschlusses eine Ausschreibung zur Festnahme in den Fahndungsregistern der Polizei. Ausreisepflichtige, die außerhalb der o. g. geschützten Räumlichkeiten des Kirchenasyls angetroffen werden, können auf Grund der bestehenden Fahndungsausschreibung festgehalten bzw. in Gewahrsam genommen werden. Die zuständige Ausländerbehörde hat unverzüglich zu entscheiden, ob die Ausländerin oder der Ausländer dem zuständigen Amtsgericht zur Anhörung für die Anordnung eines Abschiebungshaftbeschlusses vorgeführt wird oder ob auf Grund der Einlassung der betroffenen Person eine Aufenthaltsbeendigung auch ohne eine Inhaftnahme zur Durchführung der Abschiebung möglich ist. Bisher ist der Landesregierung kein Fall bekannt geworden, in dem niedersächsische Ausländerbehörden einen Abschiebungshaftbeschluss erwirkt haben während die oder der Ausreisepflichtige sich im Kirchenasyl aufgehalten hat.

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erstellt am:
20.03.2015

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