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Beantwortung der Mündl. Anfrage der SPD zu Übergriffen auf Journalistinnen und Journalisten bei „Pegida“–Kundgebungen in Niedersachsen

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 20. Februar 2015; Fragestunde Nr. 8 Innenminister Boris Pistorius beantwortet die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Marco Brunotte (SPD)


Der Abgeordnete hatte gefragt:

Die Gruppierung „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) hat auch in Niedersachsen mehrere Kundgebungen durchgeführt und Strukturen aufgebaut. So fanden unter dem Namen „Hagida“ in Hannover oder „Bragida“ in Braunschweig Kundgebungen statt. In sozialen Netzwerken gründeten sich für Hameln „Hamgida“, „Olgida“ für Oldenburg oder „Ogida“ für die Region Ostfriesland.

Bei mehreren „Pegida“-Kundgebungen kam es zu Übergriffen auf Journalistinnen und Journalisten. In Dresden, Leipzig und weiteren Städten kam es zu Angriffen und den Versuchen, kritische Berichterstattung aktiv zu unterbinden.

Auch in Niedersachsen kam es u. a. in Hannover und Brauchschweig zu gezielten Übergriffen auf Pressevertreterinnen und -vertreter. Am 12. Januar 2015 wurde ein Journalist bei der „Hagida“-Kundgebung von Angehörigen der rechtsextremen Szene angegriffen und dabei seine Kamera beschädigt.

Nach der „Bragida“-Kundgebung am 19. Januar 2015 berichtete ein Sprecher vom „Bündnis gegen Rechts“ von Übergriffen auf Journalisten. Das Portal bnr.de schreibt von einer aggressiven Stimmung gegenüber Medienvertretern. Die „Pegida“-Grundaussage „Lügenpresse“ entlädt sich in Ausrufen wie „Wir kriegen euch alle“, „Ich hau dir auf die Kamera“ und „Judenpresse“. Wiederholt kommt es zu Rangeleien.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Erkenntnisse hat sie über Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten bei „Pegida“-Kundgebungen in Niedersachsen?

2. Wie bewertet sie die Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten bei „Pegida“-Kundgebungen in Niedersachsen?

3. Mit welchen Maßnahmen sichert sie bei „Pegida“-Kundgebungen die Möglichkeiten von Journalistinnen und Journalisten zur freien Berichterstattung und deren Schutz vor Übergriffen?

Innenminister Boris Pistorius beantwortet namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:

Das Phänomen der „Gida“-Versammlungen startete mit Demonstrationen der Gruppierung „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida)“ am 20. Oktober 2014 in Dresden. Die seitdem regelmäßig stattfindenden Demonstrationen richten sich unter anderem gegen die angeblich verfehlte europäische bzw. deutsche Einwanderungs- und Asylpolitik. In der Folgezeit entstanden weitere lokale Initiativen, die sich als Teil einer Pegida Bewegung verstehen und ähnlich bezeichnen, u. a. Bagida in Bayern, Bogida in Bonn, Dügida in Düsseldorf, Kögida in Köln oder insbesondere Legida in Leipzig.

In Niedersachsen wurden lokale Veranstaltungen einmalig am 19. Januar 2015 in Hameln (Hamgida) sowie seit dem 12. Januar 2015 in Hannover (Hagida) und seit dem 19. Januar 2015 in Braunschweig (Bragida) durchgeführt.

Zu der ersten Versammlung Hagida am 12. Januar 2015 in Hannover erschienen ca. 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die Gegenversammlungen wurden von insgesamt ca. 19.500 Personen besucht. An der weiteren Veranstaltung Hagida am 26. Januar 2015 nahmen ca. 240 Personen teil, darunter ca. 60 Personen des rechten Spektrums. An der Gegenversammlung des DGB an der Marktkirche nahmen ca. 1.000 Personen teil.

Eine zunächst für den 6. Februar 2015 geplante Versammlung der Hagida wurde abgesagt.

Bei der ersten Bragida - Versammlung am 19. Januar 2015 wurden insgesamt 500 Teilnehmer/-innen festgestellt. An den Gegenversammlungen nahmen insgesamt ca. 5.000 Personen teil. Bei einer weiteren Bragida-Versammlung am 9. Februar 2015 nahmen ca. 140 Personen teil. Bis zu 1.300 Personen beteiligten sich an der Gegenversammlung des „Bündnisses gegen Rechts" unter dem Motto „Kein Platz für Rassismus, Nationalismus und Hetze gegen Flüchtlinge".

Trotz der Absage der für den 16. Februar 2015 geplanten Bragida-Veranstaltung ist nach Einschätzung der Polizeidirektion Braunschweig gegenwärtig von einer Fortführung der wöchentlich stattfindenden Veranstaltungen auszugehen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu den Fragen 1 und 2:

Es gehört zu den Aufgaben der Medien, die Allgemeinheit über Ereignisse von öffentlichem Interesse, z. B. Großveranstaltungen und Demonstrationen, aus unmittelbarer Kenntnis und Beobachtung der Vorgänge zu unterrichten. Die Medien entscheiden in eigener Verantwortung, in welchem Umfang und in welcher Form sie berichten. Der Schutz dieses Grundrechts auf Pressefreiheit gehört zu den Kernaufgaben des Staates. Infolgedessen werden Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten, unerheblich, auf welche Art und Weise diese erfolgen, von der niedersächsischen Landesregierung scharf verurteilt.

Zur Bragida-Veranstaltung vom 19. Januar 2015 liegen der Polizeidirektion Braunschweig bislang lediglich aus den Medien Hinweise zu Vorfällen vor. Eine Kontaktaufnahme durch möglicherweise Geschädigte oder Betroffene mit der Polizei hat bisher nicht stattgefunden. Insofern können die in den Medien erwähnten Kontaktaufnahmen von Betroffenen mit der Polizei nicht belegt werden. Der Einsatzleitung der Polizeiinspektion Braunschweig wurden keine Über- oder Angriffe auf Journalistinnen oder Journalisten während der vier bisherigen Versammlungen gemeldet. Ermittlungsverfahren wurden bislang nicht eingeleitet.

Bezüglich der Einsatzlagen Hagida wurde zu dem Vorfall vom 12. Januar 2015 bereits in der MündAnfr. Nr. 5 des Abgeordneten Marco Brunotte (SPD) am 22. Januar 2015 Auskunft gegeben (LT-Drs. 17/2800).

Des Weiteren fand am 26. Januar 2015 eine Hagida-Veranstaltung auf dem Opernplatz in Hannover statt. Unter den Teilnehmern/-innen befand sich eine Gruppe von 33 Personen, die sich aus Angehörigen der rechten Szene zusammensetzte. Diese wurde vom Hauptbahnhof Hannover zur Versammlung begleitet.

Nach Beendigung der Versammlung begab sich diese Personengruppe gegen 20:08 Uhr in die Windmühlenstraße und verweilte dort. Gegen 20:28 Uhr lösten sich zwei Personen aus dieser Gruppe und begaben sich zu einem vor Ort befindlichen Pressevertreter. Hier kam es zu verbalen Streitigkeiten, die allerdings durch sofortiges Einschreiten der Einsatzkräfte der Polizei unterbunden werden konnten. Der Aufforderung, sich zurück zu ihrer Gruppe zu begeben, kamen die beiden Personen nach. Ein strafrechtliches Verhalten wurde weder festgestellt, noch von den Beteiligten behauptet.

Weitere anlassbezogene Sachverhalte in Bezug auf Übergriffe auf Journalisten, Fotografen oder Kamerateams sind weder für den 12. Januar 2015 noch 26. Januar 2015 gemeldet bzw. bekannt geworden.

Zu Frage 3:

Aufgabe der Polizei bei Versammlungslagen ist die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Dies bedeutet, dass sie u. a. zum einen das in Art. 8 GG verbriefte Recht auf Versammlungsfreiheit, die Meinungs- und Pressefreiheit nach Art. 5 GG, aber auch die Rechte Dritter in ihrer Gesamtheit zu betrachten hat. Pressevertreterinnen und -vertretern ist grds. ungehinderter und uneingeschränkter Zugang zu Versammlungen unter freiem Himmel zu gewähren. Daraus resultiert jeweils lageangepasst nach Entscheidung der einsatzführenden Behörde oder Dienststelle ein umfassendes Schutzkonzept zur Gewährleistung der Rechte aller Beteiligten. Die Polizei hat regelmäßig bei derartigen Versammlungslagen direkte Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für die Medien, teilweise auch vor Ort, um dem Informationsrecht der Medien gerecht zu werden.

Presseinformation

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erstellt am:
20.02.2015

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