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Beantwortung der Mündl. Anfrage der GRÜNEN/SPD zur HDJ Niedersachsen

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 18. Dezember 2014; Fragestunde Nr. 3

Innenminister Boris Pistorius beantwortet die Mündliche Anfrage der Abgeordneten

Julia Willie Hamburg, Helge Limburg (GRÜNE) und Marco Brunotte (SPD)

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Am 31. März 2009 verbot der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble mit sofortiger Wirkung die Organisation der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ). Das Bundes-innenministerium begründete das Verbot mit dem Ziel der HDJ der „Heranbildung einer neonazistischen ‚Elite‘“ sowie der „ideologischen Einflussnahme auf Kinder und Jugendliche durch Verbreitung völkischer, rassistischer, nationalistischer und nationalsozialistischer Ansichten im Rahmen vorgeblich unpolitischer Freizeitangebote“. Immer wieder gibt es seitdem Berichte über die Weiterführung von Aktivitäten führender Mitglieder der damaligen HDJ in Niedersachsen und den angrenzenden Bundesländern. Im Allgemeinen ist zu beobachten, dass Mitglieder verbotener Strukturen durch andere Organisationsformen oder das Auflösen und Neugründen von Strukturen ihre Aktivitäten weiterführen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Gibt es Erkenntnisse über Aktivitäten, Zusammenschlüsse und Neuorganisationen von ehemaligen Mitgliedern der verbotenen Organisation HDJ in Niedersachsen und den angrenzenden Bundesländern?

2. Gibt es Erkenntnisse darüber, inwiefern sich ehemalige Mitglieder der HDJ bereits existierenden rechten bzw. rechtsextremen Strukturen angeschlossen haben und sich in diesen Zusammenhängen engagieren?

3. Gibt es Erkenntnisse darüber, dass neue Strukturen, Zusammenschlüsse oder Einzelpersonen die oben benannten, ehemalig von der HDJ angebotenen Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche durchführen oder niedersächsische Personen oder Zusammenschlüsse diese in anderen Bundesländern organisieren?

Innenminister Boris Pistorius beantwortet namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:

Die 1990 gegründete HDJ war bundesweit aktiv und hierarchisch aufgebaut. Als Teilorganisationen agierten die Jugendgruppen sowie der „Freundes- und Familienkreis (FFK)“, der als Schnittstelle zwischen den Generationen innerhalb der HDJ galt. Junge Familien mit kleinen Kindern trafen sich regional zu diesen Veranstaltungen. Dem Verband gehörten überwiegend ehemalige Mitglieder der 1994 verbotenen „Wiking Jugend“ (WJ) mit ihren Kindern an.

Bereits vor dem Verbot der „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) am 31. März 2009 bestanden szeneübergreifende Kontakte und Doppelmitgliedschaften, so in den Bereichen der Kameradschaften, der nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), deren Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) sowie zu völkischen und bündischen Jugendorganisationen.

Es besteht zudem eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich ehemalige HDJ-Aktivisten in anderen rechtsextremistischen Organisationen engagieren und Veranstaltungen durchführen. Rechtsextremes Gedankengut und bestehende Kontakte lassen sich durch ein Verbot nicht unterbinden. Bereits im März 2009 wurde dies deutlich von HDJ-Angehörigen zum Ausdruck gebracht: „Organisation hin oder her. Unsere Kinder werden weiterhin in den Familien national erzogen und dementsprechend ganz privat und intensiv ‚geschult’. Und das ist immer noch die beste Schulung. Und in den Freundes- und Familienkreisen geht alles weiter, wie gewohnt. Kurioserweise kann man die Menschen nicht verbieten!“ (Verfassungsschutzbericht 2009).

Es ist und bleibt daher die Aufgabe der niedersächsischen Sicherheitsbehörden, mögliche HDJ-Nachfolgebestrebungen im Fokus zu halten, da ehemalige Angehörige sich auch weiterhin einer neonazistischen Ideologie, welche von Rassismus und Antisemitismus geprägt ist und damit im Widerspruch zur freiheitlich demokratischen Grundordnung steht, bedienen. Sofern Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass etwaige Folgeaktivitäten der 2009 verbotenen HDJ vorliegen, werden diese von den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern mit besonderer Aufmerksamkeit beobachtet und entsprechend weiter verfolgt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Vereinzelt liegen Erkenntnisse über Aktivitäten von ehemaligen Mitgliedern der verbotenen Organisation HDJ in Niedersachsen vor, die sich teilweise aufgrund der bereits vor dem Verbot 2009 bestehenden szeneübergreifende Kontakte und Doppelmitgliedschaften ergeben haben. Bekannt wurde, dass auf dem Gelände des ehemaligen HDJ-Einheitsführers Hermannsland in der Nähe von Detmold in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen Jahren Wochenendtreffen für Kinder stattgefunden haben, an denen auch Familien aus Niedersachsen teilgenommen haben. Über Zusammenschlüsse und Neuorganisationen von ehemaligen Mitgliedern der verbotenen HDJ in Niedersachsen und den angrenzenden Bundesländern liegen derzeit keine Erkenntnisse vor.

Zu 2.:

Der niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde liegen Informationen darüber vor, dass ehemalige HDJ-Mitglieder im JN-Stützpunkt Osnabrück als Mitglieder aktiv waren.

Konkrete Erkenntnisse darüber, dass sich ehemalige Funktionäre oder Angehörige gezielt in anderen Jugendbünden oder bereits existierenden rechten bzw. rechtsextremen Strukturen in Niedersachsen angeschlossen haben oder sich in diesen Zusammenhängen engagieren, liegen nicht vor. Bekannt wurde die Beteiligung ehemaliger HDJ-Mitglieder aus Niedersachsen in der Schlesischen Jugend in Thüringen und im Bundesverband der Schlesischen Jugend. In Niedersachsen existieren keine Strukturen der Schlesischen Jugend.

Dem Landeskriminalamt Niedersachsen liegen seit dem Jahr 2010 Erkenntnisse vor, dass unter dem Deckmantel der Jugendorganisation der NPD, Junge Nationaldemokraten (JN), bundesweit durch die Organisation „Interessengemeinschaft (IG) Fahrt und Lager“ Aktivitäten durchgeführt wurden, die in ihrer Diktion Parallelen zu Inhalten der bundesweit verbotenen Vereinigung HDJ aufwiesen.

Die bis dahin festgestellten Akteure der „IG Fahrt und Lager“ sind fast ausnahmslos ehemalige, amtsbekannte HDJ-Aktivisten und traten bereits vor dem Verbot der HDJ in die JN ein. In der bundesweit organisierten JN „IG Fahrt und Lager“ führten ehemalige Angehörige der HDJ Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche, beispielsweise „Zeltlager“ durch. Im Juni 2010 wurden durch das LKA Niedersachsen und die Polizeiinspektionen Osnabrück und Cloppenburg/Vechta Strukturermittlungen im Zusammenhang mit der Organisation „Interessengemeinschaft Fahrt und Lager“ durchgeführt. Der Anfangsverdacht des §129 StGB wurde im August 2010 gegenüber den Staatsanwaltschaften Lüneburg und Oldenburg begründet. Nach justizieller Prüfung des Sachverhalts wurde jedoch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Zu 3.:

Siehe Antwort zu 1.

Presseinformation

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erstellt am:
18.12.2014

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