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Salafismus in Niedersachsen

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 25.09.2014; TOP 15 - Rede von Innenminister Boris Pistorius zur Großen Anfrage der Fraktion der CDU


Salafisten haben ihre Ideologie in den letzten Wochen auf besonders dreiste, demokratieverachtende Art und Weise öffentlichkeitswirksam verbreitet. Das hat in ganz Deutschland und darüber hinaus die Gemüter erhitzt, und zwar zu Recht, denn jeden Demokraten muss aufwühlen, was hier zum Teil geschehen ist!

Bevor ich aber auf die Formen eingehe, die die salafistische Ideologie in unserem Land heute erreicht hat, möchte ich zunächst eine klare und saubere Trennlinie ziehen. Der Zentralrat der Muslime hat sich in den letzten Wochen nämlich ebenfalls sehr deutlich gegen jede Form von Extremismus und Gewalt unter Berufung auf den Islam positioniert. Der Vorsitzende des Zentralrats, Aiman Mazyek, verurteilte dabei Hass gegen Juden und auch den Terror, den manche im Namen des Islam begehen.

Das begrüße ich sehr. Um es dementsprechend noch einmal ausdrücklich festzuhalten: Das Problem ist nicht „der Islam“, das Problem sind nicht „die Muslime“, sondern das Problem sind Salafisten und Islamisten. Es sind alle, die sich an den Rändern bewegen und die die Grenzen unserer Verfassung absichtlich und voller Verachtung überschreiten. Ich appelliere deshalb an Sie alle: Lassen Sie in der Diskussion nicht zu, dass diese Randgruppen das Erscheinungsbild einer übergroßen, friedlichen Mehrheit prägen.

Das würde nämlich das friedliche Zusammenleben in Deutschland tatsächlich gefährden, und diesen Erfolg dürfen wir den Salafisten nicht gönnen.

Ein besonders dreister Auswuchs dieser Randgruppen zeigte sich zuletzt zwar nicht in Niedersachsen, aber in Nordrhein-Westfalen. Ich nenne hier das Stichwort „Scharia-Polizei“, also jene Hand voll Salafisten, die durch Wuppertal patrouillierten. Der Wortführer dieser Szene, Sven Lau, bezeichnete das anschließend sogar noch als einen „PR-Gag“. Lassen Sie mich eines dazu deutlich sagen:

Das staatliche Gewaltmonopol ist eine untrennbare Säule unserer Demokratie. Wer über die Straßen spaziert und sich als zweite Polizei ausgibt, der missachtet diesen demokratischen Wert. Das ist kein „Gag“, hier hört der Spaß auf! Auf der anderen Seite ist es traurig, dass diesen Salafisten eine solch große Bühne für ihre Provokation geboten wurde.

In Niedersachsen war zwar bislang noch keine selbsternannte „Scharia-Polizei“ auf den Straßen aktiv. Dennoch besteht kein Zweifel daran: Der Salafismus als eine Form des politischen Extremismus hat sowohl in Niedersachsen als auch in Deutschland eine neue Dimension angenommen. Das zeigt im Detail auch die Antwort auf die vorliegende Große Anfrage.

Salafisten vertreten einen politischen Extremismus. Sie lehnen die freiheitliche demokratische Grundordnung ab.

Sie wollen den freiheitlichen Verfassungsstaat durch eine auf der Scharia basierende Ordnung ersetzen. Die salafistische Ideologie tritt mehrere unserer wichtigen rechtsstaatlich-demokratischen Grundsätze mit Füßen: Die Trennung von Staat und Religion, die Volkssouveränität, die sexuelle Selbstbestimmung, die Gleichstellung der Geschlechter sowie die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und Religionsfreiheit.

Salafisten gefährden die öffentliche Sicherheit vor allem dann, wenn sie zu Gewalt greifen, um ihre Ziele zu erreichen.

Diese Gefahr reicht über Deutschland hinaus. Zahlreiche Personen aus Deutschland und auch aus Niedersachsen sind zuletzt nach Syrien gereist, um sich dort an dem schrecklichen Bürgerkrieg zu beteiligen. Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden zogen bislang 400 Islamisten aus Deutschland nach Syrien und mittlerweile auch in den Irak. Aus Niedersachsen sind es bis zu 15 Personen, so der aktuelle Stand unserer Sicherheitsbehörden.

Hier hat sich also eine neue terroristische Szene gebildet, und wir müssen alles dafür tun, damit sie nicht zu einer Gefahr wird, wenn ihre Mitglieder traumatisiert und weiter radikalisiert nach Deutschland zurückkehren! Das ist für unsere Sicherheitsbehörden zweifellos eine Herausforderung.

Die salafistische Szene insgesamt ist noch größer als diese sogenannte "jihadistische", terroristische Strömung. Unsere Behörden gehen aktuell von über 330 Salafisten in Niedersachsen aus. Diese sind größtenteils der sogenannten politischen Strömung zuzuordnen, die - zumindest vordergründig - Gewalt ablehnt.

Die Szene wächst. Dafür gibt es mehrere Gründe. Eine Rolle spielt zweifelsfrei der Krieg im Nahen Osten. Aber auch bei uns gibt es Akteure, die für die salafistische Ideologie werben. Ich nenne hier die salafistisch dominierten Moscheen „Deutschsprachige Muslimische Gemeinschaft“ in Braunschweig und die „Deutschsprachigen Islamkreise“ in Hannover und Hildesheim. Wie in unserer Antwort auf die Große Anfrage dargestellt wird, versuchen diese so genannten politischen Salafisten durch Missionierung zum salafistisch geprägten Islam zu beeinflussen.

Kristallisationspunkte sind etwa die genannten Moscheen, Islamseminare oder charismatische Prediger. Um sie herum entstehen häufig persönliche Bekanntschaften und Freundschaften Gleichgesinnter. Die Mitglieder dieser Netzwerke betreiben Mission, die sogenannte „Da’wa“. Sie stellen dabei den salafistisch geprägten Islam gegenüber Muslimen und Nichtmuslimen als die einzig gültige Wahrheit dar.

Die Salafisten sind dabei zunehmend erfolgreich. Und je erfolgreicher sie sind, je mehr Menschen sie überzeugen, desto größer ist natürlich auch die Gefahr einer noch stärkeren Ausbreitung dieser Schwarz-Weiß-Ideologie, die nur Freund und Feind kennt. Deshalb, und das betone ich ausdrücklich, ist nicht nur die terroristische, sondern eben auch die politische salafistische Szene ernst zu nehmen und darf nicht verharmlost werden.

Ein unabdingbarer Baustein, um solchen Entwicklungen vorzubeugen, ist die Prävention.

Wir könnten hier natürlich schon deutlich weiter sein, wenn die Vorgängerregierung hierzu bereits ein sinnvolles Konzept umgesetzt hätte, aber das nur am Rande. Ich möchte hierzu nicht meiner Kollegin Ministerin Cornelia Rundt vorgreifen, die diesbezüglich noch selbst sprechen wird.

Ich versichere Ihnen aber von meiner Seite, dass die Landesregierung, die Polizei und der Verfassungsschutz längst eng mit den islamischen Landesverbänden und den mit ihnen verbundenen Moscheegemeinden zusammenarbeiten, um einer salafistischen Radikalisierung vorzubeugen. Wir haben hier auch Gesprächsfäden aufgenommen, die in der Zeit der Vorgängerregierung längst abgerissen waren. Das Rezept muss hier „Vertrauen statt Misstrauen“ lauten, denn sowohl die muslimischen Verbände als auch die Landesregierung eint das gemeinsame Ziel, eine Radikalisierung zu vermeiden.

Das LKA Niedersachsen hat beispielsweise im Januar dieses Jahres eine Präventionsstelle „Politisch Motivierte Kriminalität“ eingerichtet. Sie bündelt, koordiniert und optimiert die Extremismusprävention, einschließlich der Islamismusprävention, innerhalb der niedersächsischen Polizei.

Der Verfassungsschutz stellt auf Anfrage für die Öffentlichkeit Informationen über Hintergründe, Entstehung und Gefahren des Salafismus bereit. Das geschieht im Regelfall mit Fachvorträgen.

Der Niedersächsische Verfassungsschutz ist damit fachlicher Informationsgeber und Kooperationspartner für andere Organisatoren und Behörden, um Salafismusprävention zu betreiben. Dabei ist immer auch eine differenzierte Darstellung wichtig, die die Unterschiede von Islam, Islamismus und Salafismus hinweist.

Ich stelle jedenfalls fest, dass die niedersächsische Landesregierung den Salafismus als mehrdimensionales Problem längst erkannt hat und auch bereits handelt. Es ist eine sicherheitspolitische, aber auch eine gesellschaftspolitische Herausforderung, dagegen vorzugehen und einer weiteren Verbreitung vorzubeugen.

Lassen Sie uns diesen Weg weitergehen und weiterentwickeln, gemeinsam mit der großen Mehrheit derjenigen, denen an einem demokratischen, friedlichen und toleranten Zusammenleben gelegen ist!

Presseinformation

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erstellt am:
25.09.2014

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