Nds. Ministerium für Inneres und Sport Niedersachsen klar Logo

Antisemitismus

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 23.07.2014; TOP 14 d, Akt. Std. Rede von Innenminister Boris Pistorius zum Antrag der Fraktion der CDU


Sehr geehrter Herr Präsident,

meine sehr geehrten Damen und Herren!

Die Landesregierung ist zutiefst betroffen über die schrecklichen Geschehnisse, die sich nach der jüngsten Eskalation im Nahostkonflikt ereignet haben. Wir sind schockiert über das große Leid, das so viele unschuldige Menschen erleben müssen.

Die Ereignisse haben eine enorme Tragweite, sie berühren Menschen in der ganzen Welt, so auch bei uns. Sie machen traurig, wütend und in Teilen auch ratlos.

Auch in Deutschland gehen Menschen auf die Straße. Sie haben dabei ganz unterschiedliche Motivationen und Hintergründe. In diesem Zusammenhang ist es am 19. Juli in Göttingen leider zu mehr als unschönen Szenen gekommen.

Mit Blick auf den – vorsichtig gesagt: tendenziös formulierten – Titel dieser Aktuellen Stunde möchte ich aber direkt einige wesentliche Dinge richtigstellen. Auf der Demo vom 19. Juli hat ein Teilnehmer des pro-palästinensischen Aufzuges eine mitgebrachte Israel-Flagge verbrannt, soweit der derzeitige Erkenntnisstand. Die Demo war im Übrigen nicht von linken Antisemiten angemeldet und die Teilnehmer sind auch nicht in der Masse dem linken Antisemitismus zuzuordnen.

Schon allein deshalb führt der Tenor, den Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, für dieses sehr ernste Thema gewählt haben, auf eine falsche Fährte, die der Sache nicht weiter dienlich ist.

Diese neue Landesregierung arbeitet mit ganzer Kraft daran, Antisemitismus in unserer Gesellschaft zu bekämpfen. Der niedersächsische Verfassungsschutz hat erst vor zwei Wochen ein lange geplantes, sorgfältig und umfassend konzipiertes Symposium durchgeführt mit dem Titel „Antisemitismus im extremistischen Spektrum“. Ich habe dort selbst die zentrale Rede gehalten.

Für diejenigen, die nicht anwesend sein konnten, will ich kurz einige wesentliche Kernpunkte wiederholen: Antisemitismus hat seinen Ursprung in ganz unterschiedlichen Bereichen.

Es gibt ihn im Rechtsextremismus, im Islamismus und auch im Linksextremismus. Ganz überwiegend ist Antisemitismus in Deutschland rechtsextrem motiviert. Das erleben wir etwa dann, wenn Neonazis Mahnmale und jüdische Friedhöfe schänden oder den Holocaust leugnen.

Das mussten kürzlich aber auch einige Mitglieder aus diesem Hohen Haus erfahren. Sie haben Drohbriefe mit übelsten, antisemitischen Hetzparolen erhalten.

Lassen Sie es mich deutlich sagen: Dieser pure Judenhass ist aufs Schärfste zu verurteilen!

Wir haben bei dem Symposium natürlich auch den Linksextremismus thematisiert. Dazu lässt sich eines festhalten: Die linksextreme Szene ist tief gespalten, wie sie es mit Israel halten soll. Es gibt hier die antideutschen Strömungen, die sich mit Israel solidarisieren, und es gibt die antiimperialistischen Strömungen, die den Staat Israel ablehnen und dabei seine berechtigten Sicherheitsinteressen ignorieren. Auch das verurteile ich zutiefst, um es deutlich zu sagen.

Wenn wir aber wirksam und strukturiert gegen Antisemitismus vorgehen wollen, dann dürfen wir nicht alle Strömungen vom linksextremen Antiimperialismus bis hin zum rechtsextremen Judenhass, vom Antizionismus bis hin zum Antisemitismus miteinander vermengen. Wir müssen dieses ernste Thema differenziert behandeln, nur dann können wir wirksam vorgehen. Die niedersächsischen Behörden haben sich dem angenommen.

Ich möchte an dieser Stelle besonders die Arbeit unseres Verfassungsschutzes würdigen. Das Symposium hat eine sehr positive Resonanz erfahren. Die Ergebnisse sind auch über diesen Tag hinaus zugänglich, so dass sie weiterhin über den Antisemitismus aufklären und dafür sensibilisieren können.

Nach der jüngsten Eskalation im Nahostkonflikt ist es in Niedersachsen zu insgesamt 14 anlassbezogenen Versammlungslagen gekommen, die diesen Konflikt thematisieren. Die Polizei hat dabei eine unerlässliche Arbeit geleistet. Sie hat bei Eskalationen eingegriffen und beide Gruppen vorbeugend getrennt.

Auch außerhalb der jüngsten Demonstrationen hat es für die Polizei höchste Priorität, politisch motivierter Kriminalität vorzubeugen und sie zu bekämpfen, und dazu gehört ausdrücklich auch der Antisemitismus.

Sie sehen, die niedersächsischen Behörden arbeiten schon heute sorgfältig, strukturiert und konsequent gegen antisemitisches Gedankengut, egal aus welcher Richtung es kommt. Lassen Sie uns diese gründliche Auseinandersetzung gemeinsam fortführen. Das Thema ist ernst, und man sollte es nicht für kurzfristige Showeffekte benutzen.

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
23.07.2014

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln