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Änderung der Niedersächsischen Verfassung und Ausgestaltung des Konnexitätsprinzips im Niedersächsischen Landesrecht

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 22.07.2014; TOP 9 - Rede von Innenminister Boris Pistorius zum Gesetzentwurf der Fraktion der CDU


Sehr geehrter Herr Präsident,

meine sehr geehrten Damen und Herren!

Das Konnexitätsprinzip ist seit dem Jahr 2006 in der Niedersächsischen Verfassung verankert. Ich bin sicher, dass wir alle seine Leitidee für selbstverständlich halten und ihr auch zustimmen: Wer bestellt, soll auch bezahlen.

Die Praxis zeigt allerdings seit 2006, dass die Sache nicht so einfach ist, wie sie auf den ersten Blick erscheint. Die Schwierigkeiten liegen auch hier im Detail, wie das so oft der Fall ist.

Das Konnexitätsprinzip ist als verfassungsrechtlicher Grundsatz notwendigerweise abstrakt gehalten, es bedarf daher immer der Konkretisierung im Einzelfall.

Es fehlt in weiten Teilen an landesverfassungsgerichtlicher Rechtsprechung, so dass die Beurteilung von Kostenlasten natürlich auch immer Auslegungssache ist und unterschiedlich bewertet wird. Wir können dennoch eines festhalten: Das Konnexitätsprinzip hat sich bewährt. Es schärft das Kostenbewusstsein auf allen Seiten, sorgt für mehr Transparenz und zahlt sich vor allem finanziell aus: Jedes Jahr zahlt das Land rund 130 Mio. Euro an die Kommunen, und zwar allein aufgrund des Konnexitätsgrundsatzes. Das finde ich beachtlich. Es zeigt uns, dass das Land seinen Verpflichtungen nachkommt und dass die kommunalen Finanzen damit wirksam geschützt werden.

Ein Gesetz zur Ausgestaltung des Konnexitätsprinzips könnte natürlich für mehr Rechtssicherheit sorgen, weil eben nicht alle Einzelheiten geregelt sind.

Ihr Gesetzentwurf geht aber leider an der Praxis in unserem Land vorbei.

Die Erfahrungen aus den letzten Jahren, auch unter Ihrer Landesregierung, zeigen doch vor allem eines: Die Verfahrensfragen, die Sie mit Ihrem Gesetz überwiegend aufgreifen, waren zwischen Land und Kommunen kein wirklicher Streitpunkt. Da wurde man sich eigentlich immer einig.

Übrigens wird auch die angekündigte Klage in Bückeburg nicht deshalb erhoben, weil die Beteiligten sich über Verfahrensfragen uneinig sind.

Ihr Gesetzentwurf greift aber nicht nur die falschen Schwerpunkte auf, sondern Sie haben es sich auch noch viel zu einfach gemacht. Sie haben sich, so kommt es mir vor, einfach aus den einzelnen Regelungen anderer Länder bedient, und das nicht einmal besonders gut.

  • Es fängt schon mit § 1 an. Sie wiederholen hier schlichtweg den Verfassungswortlaut mit anderen Worten. Die wirklich strittigen Fragen des Anwendungsbereichs bleiben aber unangetastet.
  • Zu Ihrem § 2 ist anzumerken, dass insbesondere bei der Kostenfolgeabschätzung im Personalbereich, also dem normalerweise größten Kostenanteil, pauschale Prognosen und Schätzungen vorgesehen sind. Das ist viel zu unkonkret und deswegen sehr unglücklich, weil gerade bei den Personalkosten sehr gründlich mit der Kostenfolgeabschätzung gearbeitet werden sollte. Eine sachliche Begründung bei pauschalierten Prognosen reicht hier nicht aus.
  • § 6 stellt eine einzelfallbezogene Abkehr von der üblicherweise pauschalen finanziellen Abgeltung dar, sofern die betroffene Kommune – ich zitiere – „unabweisbare und wesentliche weitergehende Mehrbelastungen“ hat. Wer aber über diese sogenannte „Unabweisbarkeit“ befindet, bleibt völlig unklar.

Allein diese wenigen Beispiele zeigen, dass Ihr Gesetzentwurf nicht nur an der niedersächsischen Praxis vorbeigeht, sondern darüber hinaus auch handwerklich schlecht gemacht ist: Ich könnte weitere Paragrafen nennen. Ich erspare uns das aber, denn es wird schon bis hierhin deutlich, dass es Ihnen gar nicht darum geht, zu einer einvernehmlichen Lösung konnexitätsrelevanter Sachverhalte beizutragen. Sie zielen vielmehr darauf ab, das ist zumindest mein Eindruck, Stimmung zu machen, und zwar im Windschatten der angekündigten Klage bezüglich der Inklusion (Belastungsausgleich) an niedersächsischen Schulen vor dem Staatsgerichtshof in Bückeburg.

Das Problem ist nur, dass diese Effekthascherei niemandem weiterhilft, dem Land genauso wenig wie den Kommunen. Ihr Gesetzentwurf trägt, ich möchte es betonen, rein gar nichts zur Klärung der in Bückeburg zu verhandelnden Themen bei. Das Zusammenschustern anderer Verfahrensregelungen liefert eben keine Antworten auf die schwierigen verfassungsrechtlichen Fragen, die hier behandelt werden.

Ich kann deshalb nur an Sie appellieren, sich bei zukünftigen Gesetzesentwürfen vernünftig mit den Fachleuten in Verbindung zu setzen und sich anzuhören, wie sinnvolle Regelungsmaterien aussehen können.

Ich kann Sie als Kommunalminister nur ermuntern, mit den kommunalen Spitzenverbänden über die praktische Umsetzung des Konnexitätsprinzips auch zukünftig in den partnerschaftlichen Dialog zu treten. Das bietet die Chance, sich mit fachkundigen Beiträgen einzubringen und zu einer rechtssicheren Anwendung des Konnexitätsprinzips beizutragen.

Das wäre wirklich im Interesse unserer Kommunen!


Presseinformation

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erstellt am:
22.07.2014

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