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Niedersachsens Telekommunikationszukunft (Teil 1)

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 07.12.2012; Fragestunde Nr. 19


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die mündliche Anfrage der Abgeordneten Johanne Modder (SPD)

Die Abgeordnete hatte gefragt:

Bei dem bundesweit einzigartigen Projekt Niedersachsen Next-Generation-Network (NI-NGN) sollen die bislang getrennten Daten- und Sprachnetze sowie die Bereiche Festnetz und Mobilfunk zusammengeführt werden. Damit soll es erstmals für alle Dienststellen einer Landesverwaltung eine hoch automatisierte und konvergente Kommunikationsstruktur mit einem einheitlichen Betriebsmodell geben, das ganzheitlich sowohl die technischen als auch die rechtlichen Anforderungen der Landesverwaltung berücksichtigt.

Laut Innenministerium sollten im neuen Landesnetz in ganz Niedersachsen insgesamt 75 000 „Managed-Ports“ als Ende-zu-Ende-Lösung in 2 500 Dienststellen betrieben werden. Hinzu sollten ca. 12 000 Mobilfunkkarten kommen. Für die Einführung des Systems war ein Zeitraum von insgesamt drei Jahren vorgesehen.

Im Jahr 2007 wurde vom Landeskabinett der Beschluss gefasst, ein solches Telekommunikationsnetz in Auftrag zu geben. Die Ausschreibung gewann ein Konsortium mit der Oldenburger EWE Tel an der Spitze. Den Startschuss für das Projekt gaben Vertreter von EWE Tel und LSKN auf der CeBit 2009.

Nachdem seit Projektbeginn 2007 bzw. dem Startschuss von EWE Tel 2009 mehr als fünf bzw. drei Jahre vergangen sind und die Landesregierung verschiedentlich Verzögerungen und Pannen eingeräumt hat, stellt sich nun die Frage, ob sich das Projekt überhaupt noch erfolgreich zum Abschluss bringen lässt. Innenminister Schünemann hat im Frühjahr dieses Jahres selbst eingeräumt, dass in seinem Haus bereits die Möglichkeit einer Vertragsauflösung in Erwägung gezogen worden sei (Drs. 16/4837).

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie ist die Kostensituation nach fünf Jahren ohne Vollbetrieb, insbesondere unter Berücksichtigung von zusätzlichen Kosten durch Nachbeauftragung anderer Anbieter, zusätzlichen Kosten durch fehlende Prozesse sowie zusätzlichen Kosten durch fehlende Vorgaben der Landesregierung?

2. Sind die einzelnen Projektschritte im Vorfeld oder im Laufe des Projekts durch Pflichtenhefte klar formuliert und abgesichert worden?

3. Welche Kosten entstehen dem Land bei einer eventuellen Aufhebung des Auftrages?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:

Die Landesregierung beabsichtigt auf der Grundlage des 2009 abgeschlossenen Vergabeverfahrens die gesamte Telekommunikationsinfrastruktur für die niedersächsische Landesverwaltung zu modernisieren und leistungsfähiger zu machen. Dabei wird ein konvergentes Sprach- und Datennetz angestrebt, das die neuesten technologischen Entwicklungen berücksichtigt. Ergänzend sind die technischen Weiterentwicklungen der Kommunikationssysteme (zum Beispiel die Möglichkeiten der IP-Telefonie) zu berücksichtigen. Diese Integration muss die Lokalen Netze (LAN) ebenso umfassen wie die Stadtnetze (MAN) und das Weitverkehrsnetz (WAN).

Nach Vertragsschluss im Jahr 2009 hat die Firma EWE-Tel GmbH als Generalunternehmerin

zusammen mit ihrer Projektgesellschaft nordcom Niedersachsen GmbH (ncN) den Auftrag erhalten, die bisher getrennten Netze des Landes Niedersachsen für Daten und Sprache zu einem modernen, konvergenten Netz auf Basis des Internet-Protokolls (IP) zusammen zu führen.

Inzwischen sind alle Dienststellen an ein neues Weitverkehrsnetz (WAN) angeschlossen und das Netz wird vom Auftragnehmer betrieben, damit ist dieser Teil des Projektes generell erfolgreich in Funktion gesetzt worden. Die erwarteten Verbesserungen für das Volumen und die Qualität sind eingetreten und haben sich in der Nutzung für Landes- und Kommunalbehörden und -dienststellen realisiert.

Nach dem aktuellen Projektstand konnten aus Sicht des Landes die technischen und organisatorischen Voraussetzungen für eine flächendeckende Dienststellenmigration – also die Übernahme der lokalen Netze und die Einführung der IP-Telefonie in allen Dienststellen der Landesverwaltung – durch den Auftraggeber bislang nicht realisiert werden. Für diesen Projektteil erfolgte in den vergangenen Monaten eine Pilotierung in 5 Dienststellen mit 1.146 Arbeitsplätzen. Die dabei aufgetretenen Mängel sind Gegenstand einer Begutachtung sowie von Verhandlungen zwischen dem Ministerium für Inneres und Sport und dem Auftragnehmer. Aus diesen Gründen wurde der vertraglich vorgesehene „Flächen-Rollout“, das heißt die landesweite Umsetzung des Projekts in den Dienststellen der Landesverwaltung, ausgesetzt. Aus Sicht des Landes sind vom Auftragnehmer zunächst die Mängel zu beseitigen beziehungsweise deren Wiederauftreten bei der weiteren Migration durch organisatorisch/technische Änderungen sicherzustellen. Der Projektabschnitt der Flächenmigration verzeichnet mittlerweile einen Zeitverzug von insgesamt 32 Monaten gegenüber dem 2009 geschlossenen Vertrag. Gegenüber dem im November 2010 vereinbarten aktualisierten Zeitplan beträgt der Verzug 17 Monate.

Zwischen den Vertragsparteien werden derzeit intensive Verhandlungen über den weiteren Vollzug geführt. Ziel ist eine Klärung unterschiedlicher Einzelpositionen und die Schaffung einer weiterführenden Grundlage für die Durchführung des Projektes.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1:

Ein „Vollbetrieb“ bereits mit Auftragserteilung ab 2009 konnte aufgrund der erforderlichen Vorarbeiten bereits rein faktisch nicht vorgesehen werden – und war es auch nicht. Insoweit sieht der Vertrag Ansprüche der Auftragnehmer nicht von diesem Zeitpunkt an, sondern abgestuft nach Projektfortschritt vor.

Auf Grund der Vertragssituation wurden bisher an ncN nur Leistungen für das bereits migrierte WAN gezahlt. Soweit die weiteren vertraglich vereinbarten Prozesse vom Auftragnehmer noch nicht vollständig implementiert wurden, sind dem Land hierfür noch keine Kosten entstanden.

Leistungen zur Sprachkommunikation werden bisher nur an den Referenzstandorten zur Verfügung gestellt. Die vertraglich vereinbarte Überleitung von Altverträgen mit anderen Anbietern auf den Auftragnehmer ist bisher nicht erfolgt, so dass diese Verträge noch fortbestehen. Die dem Land hierdurch bei Dritten entstehenden Mehrkosten werden vom Auftragnehmer in Form von Ausgleichszahlungen kompensiert.

Weitere Kosten außerhalb des Projektes sind für Ersatzbeschaffungen für abgängige TK- und LAN-Anlagen seit 2009 wie folgt angefallen:

  • 2009: 465.116,88 €
  • 2010: 751.205,53 €
  • 2011: 1.217.996,60 €
  • 2012: ca. 1 Mio €

Generell war bei der Vergabe klar, dass vor der Migration in Einzelfällen Ersatzbeschaffungen notwendig werden, um die Betriebssicherheit gewährleisten zu können. Die dem Land durch die Projektverzögerung ansonsten entstehenden erhöhten Beratungs- und Personalkosten können nicht kurzfristig beziffert werden.

Von fehlenden Vorgaben der Landesregierung kann nicht die Rede sein (vgl. insofern die Antwort zu Frage 2). Entsprechend sind auch keine Kostenfolgen ersichtlich.

Zu Frage 2:

Ja.

Für die Projektdurchführung wurde ein umfangreiches Leistungsverzeichnis entwickelt. In diesem ist, ausgehend von der technischen Ausstattung der Landesverwaltung zu Projektbeginn bis zur Sollkonzeption des NI-NGN, dezidiert und differenziert der Projektverlauf skizziert.

Im Rahmen der vertraglich vereinbarten Generalunternehmerschaft obliegt es dem Auftragnehmer alle Planungs- und Steuerungsleistungen zu erbringen. Hierzu gehören in Anlehnung an die Leistungsphasen der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) insbesondere die Planungsschritte Vorplanung, Entwurfsplanung und Ausführungsplanung sowie die Erarbeitung eines Migrationsgesamtplanes und von Migrationsteilplänen.

Zu Frage 3:

Aktuell befindet sich das Land in intensiven Gesprächen mit dem Auftragnehmer über die Fortsetzung des Vertrages (siehe Vorbemerkung). Insoweit ist zunächst der Fortgang der Gespräche abzuwarten.

Im derzeitigen Verfahrensstand sind Aussagen zu Kosten einer eventuellen Vertragsaufhebung nicht möglich.

Presseinformation

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erstellt am:
11.12.2012

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