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Legaler Waffenbesitz von niedersächsischen Neonazis

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 09.12.2011; Fragestunde Nr. 45


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die mündliche Anfrage der Abgeordneten Pia-Beate Zimmermann (LINKE)

Die Abgeordnete hatte gefragt:

Durch Medienberichte wurde bekannt, dass führende NPD-Funktionäre legal über den Besitz von Lang- sowie Kurzwaffen verfügen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über die Zahl der Waffen, die sich legal im Besitz von niedersächsischen Neonazis befinden (bitte getrennt nach Kurz- und Langwaffen angeben)?

2. Hält die Landesregierung die Ausstellung von Waffenbesitzkarten an niedersächsische Neonazis für legal, wenn das Waffengesetz vorschreibt, dass Personen, die als „Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder unterstützen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt haben, die a) gegen die verfassungsgemäße Ordnung oder b) gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind“, nicht die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen?

3. Wie beurteilt die Landesregierung die gängige Praxis der zuständigen Behörden, von der geforderten Zuverlässigkeit regelmäßig dann auszugehen, wenn die Antragstellenden Mitglied einer Reservistenkameradschaft sind, und was tut die Landesregierung, um Missbrauch zu verhindern?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Anfrage wie folgt:

Der legale Besitz erlaubnispflichtiger Waffen von Rechtsextremen wird insbesondere seit Bekanntwerden der schrecklichen Ereignisse um die so genannte „Zwickauer Terrorzelle“ in den Medien thematisiert. Maßgebliche waffenrechtliche Vorschrift ist in diesem Zusammenhang § 5 Waffengesetz (WaffG). Für den Umgang mit erlaubnispflichtigen Waffen fordert § 5 WaffG die waffenrechtliche Zuverlässigkeit des Waffenbesitzers. Unzuverlässig ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr.1 WaffG, wer wegen eines Verbrechens oder wegen sonstiger vorsätzlicher Straftaten zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung zehn Jahre noch nicht verstrichen sind. Zudem ist gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG unzuverlässig, wer Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwendet, mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgeht oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahrt oder Waffen oder Munition Personen überlässt, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind.

Extremistische Aktivitäten sind im Rahmen der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG berücksichtigt. Nach dieser Vorschrift sind Personen, die einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung Bestrebungen verfolgen oder unterstützen oder in den letzten fünf Jahren verfolgt oder unterstützt haben, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker, gerichtet sind, in der Regel waffenrechtlich unzuverlässig.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1:

Personen, die aufgrund ihrer rechtsextremistischen Aktivitäten gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG waffenrechtlich unzuverlässig sind, erhalten keine waffenrechtlichen Erlaubnisse. Unterhalb dieser Schwelle liegen den Waffenbehörden keine Informationen zu waffenrechtlichen Erlaubnissen, die sich im Besitz von in Niedersachsen bekannten Rechtsextremisten befinden, vor. Eine Erhebung im vorgenannten Zusammenhang wird derzeit vom Niedersächsischen Landeskriminalamt vorbereitet.

Zu Frage 2:

Eine waffenrechtliche Erlaubnis, gleich für welches Bedürfnis sie erteilt wird, setzt nach § 4 WaffG immer voraus, dass der Antragsteller die für das jeweilige Bedürfnis erforderliche Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) und die persönliche Eignung (§ 6 WaffG) besitzt. Diese Voraussetzungen sind nicht nur bei der Erteilung der waffenrechtlichen Erlaubnis zu prüfen, die Waffenbehörde hat die Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse darüber hinaus in regelmäßigen Abständen, mindestens alle drei Jahre, erneut auf ihre Zuverlässigkeit und ihre persönliche Eignung zu prüfen, § 4 Abs. 3 WaffG.

Die Hürden zum Erwerb waffenrechtlicher Erlaubnisse sind bereits nach dem geltenden Recht hoch. So dürften insbesondere Personen mit bekanntem rechtsextremistischem Hintergrund, von denen konkrete Aktivitäten mit entsprechender Zielrichtung bekannt sind, in der Regel gemäß § 5 Abs. Nr. 3 WaffG unzuverlässig sein (Nr. 5.4 des Entwurfs der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz (WaffVwV)).

Zu Frage 3:

Eine solche Praxis herrscht in Niedersachsen nicht und wäre auch nicht rechtmäßig.

Wie unter Ziffer 2 ausgeführt, setzt eine waffenrechtliche Erlaubnis immer voraus, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit und die persönliche Eignung besitzt. Diese Voraussetzungen sind nicht nur bei der Erteilung der waffenrechtlichen Erlaubnis, sondern darüber hinaus auch in regelmäßigen Abständen, mindestens alle drei Jahre (§ 4 Abs. 3 WaffG) zu prüfen. Dabei ist die zuständige Behörde gem. § 5 Abs. 5 WaffG verpflichtet folgende Erkundigungen einzuholen:

§ die unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister

§ die Auskunft aus dem zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister

§ die Stellungnahme der örtlichen Polizeidienststelle, ob Tatsachen bekannt sind, die
Bedenken gegen die Zuverlässigkeit begründen.

Die Stellungnahme der örtlichen Polizeidienststelle schließt das Ergebnis der Prüfung ein, ob der Betroffene innerhalb der letzten fünf Jahre mehr als einmal wegen Gewalttätigkeit mit richterlicher Genehmigung in polizeilichem Präventivgewahrsam war.

Neben den vorgenannten Erkenntnisquellen können die Waffenbehörden zudem weitere Ermittlungen anstellen. So kann ergänzend zur Anfrage bei der örtlichen Polizeidienststelle im Einzelfall eine Anfrage bei der zuständigen Landesbehörde für Verfassungsschutz nach dort vorhandenen Erkenntnissen im Hinblick auf Unzuverlässigkeitsgründen nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe b und Nr. 3 i.V.m. § 43 Abs. 2 WaffG erfolgen. Auch bei übergeordneten Polizeidienstellen (z.B. dem Landeskriminalamt) kann eine Abfrage vorhandener Erkenntnisse erfolgen.

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erstellt am:
12.12.2011

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