Nds. Ministerium für Inneres und Sport Niedersachsen klar Logo

Beantwortung der Mündl. Anfrage der SPD und der GRÜNEN zu kriminiellen Vereinigungen

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 19. Februar 2016; Fragestunde Nr. 2

Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport antwortet namens der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Marco Brunotte, Frank Henning, Ulrich Watermann, Karl-Heinz Hausmann, Karsten Becker, Michael Höntsch, Bernd Lynack, Petra Tiemann (SPD), Julia Willie Hamburg, Meta Janssen-Kucz, Helge Limburg, Belit Onay und Filiz Polat (Grüne) wie folgt:

Vorbemerkung der Abgeordneten

In den letzten Jahren gab es immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Rockergruppen in Deutschland. Hells Angels, Bandidos und Mongols haben sich Revierkämpfe zur Verteilung von Gebieten sowie legalen und illegalen Geschäften geliefert. Im Jahr 2015 ist eine weitere Gruppierung entstanden, die den etablierten Rockergruppen ihre Reviere streitig machen könnte.

Im April 2015 sollen sich die „Osmanen Germania“ gegründet haben. Sie bezeichnen sich selber als Boxclub und als „eine große Familie für alle verschiedenen ethnischen Gruppen“. Die Gruppe wächst rasant. Nach eigenen Veröffentlichungen haben die „Osmanen Germania“ in Deutschland 2.500 Mitglieder. Weltweit sollen es 3.500 sein. Sie haben Strukturen in Deutschland, der Türkei, Österreich, der Schweiz und Schweden. In Deutschland soll es 20 Gruppen geben. Für Niedersachsen wird eine Gruppe in Osnabrück genannt. Eine weitere Expansion in Deutschland sei geplant.

Die „Osmanen Germania“ werden immer wieder mit den Hells Angels bzw. den Nomads Turkey in Verbindung gebracht. Nach einem Streit über die Aufnahme von Migranten bei den Hells Angels sollen sich die „Osmanen Germania“ gegründet haben. Der ehemalige Hells-Angels-Funktionär und Kriminelle Necati A. wird in Verbindung mit der neu entstandenen Rockergruppe genannt. Über die Medien kam es zu verbalen Auseinandersetzungen beider Rockergruppen (u. a. Kölner Express und Südafrika-Portal „Südafrika - Land der Kontraste“). So erklärte Mehmet B. für die „Osmanen Germania“ im Online-Südafrika-Portal: „Die Altrocker haben uns nichts zu sagen.“ In „Gebieten“ der Hells Angels, wie z. B. Neuss und Duisburg, kam es zu Machtdemonstrationen.

Vorbemerkung der Landesregierung

Die Landesregierung misst der Bekämpfung der Rockerkriminalität seit Jahren einen unverändert hohen Stellenwert bei.

Sie geht im Sinne eines strukturierten ganzheitlichen Bekämpfungsansatzes intensiv und entschieden sowohl gegen die Rockerszene als auch die übrigen phänomenrelevanten Gruppierungen vor. Die Landesregierung hat dies anlässlich verschiedener Landtagsanfragen zu den Strukturen und kriminellen Aktivitäten von Rockerbanden in Niedersachsen bereits mehrfach ausgeführt. So erst kürzlich in der Mündlichen Anfrage Lt.- Drs.17/5030, Frage 3 vom 13. Januar 2016 zu der Fragestellung des Abgeordneten Brunotte „Rockerkrieg von Hells Angels und Mongols in Hamburg – Auswirkungen auch auf Niedersachsen?“ und zuvor in einer Kleinen Anfrage aus dem Jahr 2015 (Lt.-Drs. 17/3817) der Abgeordneten Janssen-Kucz und Onay: „Aktuelle Strukturen und kriminelle Aktivitäten von Rockerbanden in Niedersachsen“ sowie einer Mündlichen Anfrage aus 2014 (Lt.-Drs. 17/1940) der Abgeordneten Janssen-Kucz und Limburg: „Verfestigen sich die Strukturen der Hells Angels in Südniedersachsen? Was tut die Landesregierung um die Bürgerinnen und Bürger zu schützen?“.

1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über Strukturen und Aktivitäten der Gruppe „Osmanen Germania“ in Niedersachsen?

Gemäß Berichterstattung des LKA Niedersachsen wurde der Osmanen BC (Boxclub) Ende 2014 in Frankfurt am Main gegründet. Im Mai 2015 erfolgte eine Aufspaltung dieses Osmanen BC in den Osmanen BC Frankfurt sowie den Osmanen Germania BC Rodgau.

Anschließend fand eine bundes- und europaweite Expansion des Osmanen Germania BC (OGBC) statt; aktuell sind den Polizeibehörden 22 Orts­gruppen des OGBC in Deutschland und elf Ortsgruppen im europäischen Ausland bekannt. Demgegenüber hat der Osmanen BC Frankfurt am 24. Januar 2016 nur eine weitere Ortsgruppe in Kassel gegründet. In Niedersachsen ist der Osmanen Germania BC (OGBC) zurzeit mit einer Ortsgruppe in Osnabrück vertreten. Diese hat sich Anfang Oktober 2015 gegründet; aktuell werden ihr 17 Personen zugerechnet, wobei es sich bei dieser Zahl aufgrund der hohen Fluktuation um eine Momentaufnahme handelt.

Ein Clubhaus des OGBC Osnabrück ist bisher nicht bekannt. Die Gruppierung trifft sich zurzeit in einem Gastronomiebetrieb in der Osnabrücker Innenstadt. Die überwiegende Anzahl der Mitglieder des OGBC Osnabrück hat einen Migrationshintergrund. Die Mehrheit der Mitglieder ist polizeilich mit Rohheits-, Eigentums- und Betäubungsmitteldelikten in Erscheinung getreten.

Die Ortsgruppe Osnabrück nimmt aktiv an den bundesweiten Clubtreffen teil und richtete ihrerseits im Dezember 2015 ein als „Nikolausparty“ deklariertes überregionales Treffen mit ca. 300 Teilnehmern in einem Veranstaltungssaal in Osnabrück aus. Wie der OGBC auf Bundesebene, propagiert auch die Ortsgruppe in Osnabrück, dass das Ziel der Vereinsgründung darin liege, „die Jugendlichen von der Straße zu holen und sie durch sportliche Aktivitäten einer sinnvollen Aufgabe nachgehen zu lassen“.

Dementsprechende Aktivitäten lassen sich seit der Gründung der Ortsgruppe Osnabrück jedoch nicht nachweisen.

Das Verhältnis des OGBC Osnabrück zu anderen lokalen Ortsgruppen insbesondere dem Hells Angels MC oder dem Bandidos MC und Gremium MC wird augenblicklich als „neutral“ angesehen.

2. Wie beurteilt die Landesregierung die „Osmanen Germania“, die sich selbst als Boxclub bezeichnet?

Der OGBC, so auch die Ortsgruppe in Osnabrück, adaptiert durch das Tragen von Jacken, den sogenannten „Kutten“, mit entsprechenden Abzeichen („Patches“) das äußerliche Erscheinungsbild der traditionellen Rockergruppierungen. Auch der hierarchische Aufbau einer jeden Ortsgruppe mit der Vergabe von Funktionsbezeichnungen (Anführer, Vertreter, Sekretär, Anwärter pp.) entspricht denen der traditionellen Rockergruppierungen. Nach eigenem Bekunden hat der OGBC jedoch kein Interesse am Motorradfahren und grenzt sich insoweit von den traditionellen Rockergruppierungen und Motorradclubs ab.

Aufgrund dieser Feststellungen wird der OGBC als rockerähnliche Gruppierung angesehen. Nach der bundeseinheitlichen Definition des Bundeskriminalamtes ist darunter eine Vereinigung von mehreren Personen mit gemeinsamen verbindenden Symbolen, Zeichen oder Namen, die durch ihr öffentliches Auftreten eine Atmosphäre der Gewalt und Einschüchterung schafft, zu verstehen. Diese Gruppierungen zeichnen sich durch hierarchischen Aufbau, enge persönliche Bindung, geringe Bereitschaft zur Kooperation mit der Polizei sowie selbst geschaffenen Regeln und Satzungen aus. Ihre Betätigungsfelder gleichen in weiten Teilen denen der Rockergruppierungen.

Diese Einschätzung wird vom Bundeskriminalamt und den von der Expansion des OGBC betroffenen Bundesländern Hessen und Nordrhein-Westfalen ausdrücklich geteilt.

Eine besondere Affinität zum Boxsport, die über die von anderen Rockergruppierungen oder rockerähnlichen Gruppierungen gezeigten Aktivitäten hinausgeht, konnte beim OGBC bisher nicht beobachtet werden.

3. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierung über Auseinandersetzungen im Rockermilieu durch die Ausbreitung der „Osmanen Germania“ zur Verteilung von Gebieten sowie legalen und illegalen Geschäftsfeldern, bzw. was erwartet sie?

Es liegen keine Erkenntnisse und Informationen zu Auseinandersetzungen in Niedersachsen zwischen dem OGBC bzw. seiner Ortsgruppe in Osnabrück und anderen Rockergruppen oder rockerähnlichen Gruppierungen vor. Der Anfang November 2015 stattgefundene Aufmarsch von bis zu 50 OGBC-Angehörigen der Ortsgruppe Osnabrück und angrenzender OGBC-Ortsgruppen aus Nordrhein-Westfalen in mehreren Gastronomiebetrieben in Osnabrück stand im Zusammenhang mit Differenzen mit der ortsansässigen Gruppierung der United Tribuns. Eine zeitnahe offene Polizeipräsenz vor Ort sowie durchgeführte Polizeikontrollen verhinderten ein gewalttätiges Zusammentreffen beider rockerähnlichen Gruppierungen.

Die nicht näher bekannten Unstimmigkeiten beider Gruppen sollen mittlerweile beigelegt sein. Aktuell sind keine Differenzen zwischen dem OGBC Osnabrück und den örtlichen Rockergruppierungen (Bandidos MC, Gremium MC) sowie den United Tribuns Osnabrück bekannt. Auch sind bisher keine Straftaten bekannt geworden, die aus dem OGBC Osnabrück heraus begangen wurden.

Situativ sind jedoch potentielle Auseinandersetzungen zwischen dem OGBC und anderen Rockergruppierungen respektive rockerähnlichen Gruppierungen im Bereich Osnabrück nicht auszuschließen.

Der OGBC steht - wie auch die anderen Rockergruppierungen und rockerähnlichen Gruppierungen - weiterhin im engen Fokus der Polizeibehörden, um durch umfangreiche Informationserhebung und konsequentes Einschreiten jedwede Form von Straftaten und Auseinandersetzungen zu verhindern sowie Expansionsbestrebungen frühzeitig zu erkennen.

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
19.02.2016

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln