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Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2014

  • Weniger Rechtsextremisten, NPD verliert weiter Mitglieder
  • Zentrale Aktionsfelder der Rechtsextremisten sind Asyl und Flüchtlinge sowie Islamfeindlichkeit
  • Organisationsstrukturen im Linksextremismus im Umbruch
  • Anstieg der Salafisten von 330 auf 400

Rechtsextremismus

Das gesamte Personenpotential aller Erscheinungsformen im Bereich des Rechtsextremismus ist 2014 leicht von 1.455 auf 1.435 zurückgegangen. Im Einzelnen stellen sich die Zahlen in diesem Bereich folgendermaßen dar:

Die Zahl der Neonazis in Niedersachsen ist leicht von 345 auf 320 zurückgegangen, auch die Zahl der NPD-Mitglieder ist leicht gesunken (von 450 auf 410). Zahlenmäßig als Gruppe am größten, aber kaum organisiert, sind 2014 die subkulturell geprägten Rechtsextremisten gewesen, die insbesondere bei der Verbreitung rechtsextremistischer Musik im Internet eine Rolle spielen. Hier gab es sogar einen leichten Anstieg (von 600 auf 630). Der Trend bei den niedersächsischen Rechtsextremisten, sich nicht mehr in festen Strukturen zu organisieren, sondern sich eher aktions- und kampagnenorientiert zusammenzuschließen, hat sich auch 2014 fortgesetzt. Zentrale Themenfelder im Rechtsextremismus sind die Islamfeindlichkeit und der Schwerpunkt Asyl und Flüchtlinge.

Der Niedersächsische Minister für Inneres und Sport, Boris Pistorius: „Der Verfassungsschutzbericht für 2014 belegt erneut, dass der Rechtsextremismus die Islamfeindlichkeit als Einfallstor in der Mitte der Gesellschaft sucht. Darauf haben wir schon lange hingewiesen, auch Ende vergangenen Jahres im Zusammenhang mit den unsäglichen Hogesa-Demonstrationen und den Aktionen der Pegida-Bewegungen, die erfreulicherweise kaum noch wahrzunehmen sind. Dass die NPD in Niedersachsen weiter Mitglieder verliert, hängt neben innerparteilichen Konflikten auch mit dem Parteiverbotsverfahren des Bundesrats zusammen, das wir Ende 2013 angestoßen haben."

Linksextremismus

Bedingt durch die Überprüfung der Personenspeicherungen im autonomen und gewaltbereiten Linksextremismus durch die sog. „Task Force", sind die beanstandeten Datensätze (rund 24 % der insgesamt gespeicherten Personendatensätze im Bereich Linksextremismus) nicht mehr in den Verfassungsschutzbericht eingeflossen. Das hat zur Folge, dass die Zahlen in diesem Bereich in der Statistik für 2014 von 880 auf 685 gesunken sind. Allerdings bedeutet das nicht, dass die Gefahr durch gewaltbereite Linksextremisten im Vergleich zum Vorjahr in gleichem Maße erheblich gesunken wäre, durch die Bereinigung der Datensätze sind nur diejenigen Personen nicht mehr Teil der Statistik, die vorher zu Unrecht dem gewaltbereiten linksextremistischen Spektrum zugeordnet worden waren.

Zentrales linksextremistisches Handlungsfeld ist nach wie vor der Antifaschismus. Dieser richtet sich zwar formell gegen den Rechtsextremismus, zielt aber darüber hinaus auch auf die Überwindung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. In den letzten Jahren ist zudem ein Wandel des Selbstverständnisses von Teilen der autonomen Szene zu beobachten. Sich als „postautonom“ verstehende Gruppierungen streben breit gefächerte Bündnisse an. Sie wollen die autonome Szene besser organisieren, vernetzen und ideologisieren, als das bisher in diesem Bereich üblich war. Diese Entwicklung wird vom Verfassungsschutz auch als Reaktion auf zunehmende interne Kritik z. B. an der Unorganisiertheit und der Selbstbezogenheit der Autonomen gewertet. An den daraus resultierenden bundesweiten Zusammenschlüssen sind u. a. die Antifaschistische Linke International und die Redical[M] aus Göttingen sowie Fast Forward und Interventionistische Linke aus Hannover beteiligt.

Salafismus/Syrienproblematik

Die Anzahl der Salafisten in Niedersachsen ist 2014 von 330 auf 400 gestiegen.

Zwar sind die meisten von ihnen politisch-missionarisch ausgerichtet, trotzdem sind die Übergänge vom politischen zum jihadistischen Salafismus fließend.

Im jihadistischen Salafismus setzten sich 2014 die Entwicklungen von 2013 fort, etwa durch Anschläge sogenannter „Lone-wolf"-Attentäter in den westlichen Demokratien und den Aufbau von jihadistisch dominierter Willkürherrschaft in Teilen der islamischen Welt. Die Terrororganisation „Islamischer Staat" (IS) rief, was großen Widerhall in der jihadistischen Szene weltweit fand, im Juni 2014 das Kalifat aus.

Der so genannte „Islamische Staat" zieht dabei die meisten Syrienausreisenden an. Es liegen aktuell Erkenntnisse zu mehr als 680 deutschen Islamisten bzw. Islamisten aus Deutschland vor, die in Richtung Syrien ausgereist sind, um dort an Kampfhandlungen teilzunehmen oder den Widerstand gegen das Assad-Regime in sonstiger Weise zu unterstützen. Aus Niedersachsen sind seit dem Ausbruch des Konfliktes ca. 50 Personen mit diesem Ziel in Richtung Syrien ausgereist, darunter etwa zehn Konvoifahrer.

Durch die Aus- und Rückreisebewegung deutscher Salafisten nach bzw. aus Syrien/Irak wird die deutsche Szene intensiver als je zuvor an den international agierenden Jihadismus angeschlossen bzw. von diesem beeinflusst.

Minister Pistorius sagt dazu: „Auch in Niedersachsen haben wir erlebt, wie sich die aktuell hohe abstrakte Gefahrenlage beim Braunschweiger Karneval plötzlich zu einer konkreten Gefährdungslage entwickelt hat. Deswegen war es richtig, dass die beteiligten Behörden nach den ernstzunehmenden Hinweisen auf einen möglichen Anschlag den Schoduvel zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger abgesagt haben.“

Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG)

Bis 2014 war die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) mit ihren 2.600 Anhängern Beobachtungsobjekt des Niedersächsischen Verfassungsschutzes. Der Verfassungsschutz beobachtet bei der IGMG jedoch bereits seit einigen Jahren Anzeichen für einen fortschreitenden Loslösungsprozess aus dem Einflussbereich der Millî Görüş-Bewegung in der Türkei.

Die Organisation hat durch die Gründung weiterer, der Millî Görüş-Bewegung zuzuordnender Vereinigungen in Deutschland ihren singulären Charakter als Repräsentantin der in Europa lebenden Anhänger des türkischen Politikers Erbakan verloren. Vielmehr sind die „Erbakan-Treuen“ zunehmend in den neuen Organisationen Erbakan-Stiftung, Saadet Partisi (SP, Partei der Glückseligkeit) und Ismail Ağa Cemaati (IAC) zu finden.

In Niedersachsen ist diese Gesamtentwicklung besonders deutlich. Im Gegensatz zu anderen Regionalverbänden waren in der niedersächsischen IGMG keine extremistischen Bezüge mehr festzustellen. Deshalb fokussiert sich die Beobachtung in Niedersachsen auf die Erbakan-Stiftung, die SP und IAC.

Reform des Niedersächsischen Verfassungsschutzes

„Niedersachsen ist eines der Länder, die sich im Reformprozess ihrer Verfassungsschutzbehörden durch Überprüfung, Neujustierung und Neuregelung der Arbeit hervorheben“, so Minister Pistorius. Die neue Leitlinie für die Arbeit des Niedersächsischen Verfassungsschutzes ist geprägt durch größere Transparenz und mehr Kontrolle einerseits und Konzentration auf die Kernaufgaben des Verfassungsschutzes andererseits.

Den Schwerpunkt der Niedersächsischen Reform bilden die Themengebiete:

• Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit anderen Sicherheitsbehörden,

• Einsatz von Vertrauenspersonen,

• Speicherverhalten unter Verhältnismäßigkeitsaspekten,

• Personelle Ausstattung und Organisation und

• Verstärkung der Präventions- und Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes.

Die entsprechenden Neuregelungen im Entwurf des neuen Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes werden flankiert durch eine Vielzahl weiterer Reformansätze, die organisatorisch und inhaltlich in der Verfassungsschutzbehörde umgesetzt werden und teilweise bereits umgesetzt worden sind.


Anlage:

Verfassungsschutzbericht 2014 (197 Seiten)

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
28.05.2015

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