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Rettungsdienstgesetz

Rede von Innenminister Uwe Schünemann zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung und zum Antrag der Fraktion der SPD; Es gilt das gesprochene Wort!


Sehr geehrter Herr Präsident,

sehr geehrte Damen und Herren,

mit der vorliegenden Novellierung des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes stellt die Landesregierung die Weichen für einen noch wirtschaftlicheren und qualitativ hochwertigeren Rettungsdienst in Niedersachsen.

Die Änderung des Gesetzes ist auch erforderlich, um Regelungen an den medizinischen Fortschritt anzupassen und dem zunehmenden Kosten-druck im Gesundheitswesen Rechnung zu tragen. Ziel ist es, vorhandene Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen und sich bietende Synergieeffekte zu nutzen.

Und zwar, das betone ich ausdrücklich, ohne den erreichten hohen Qualitätsstandard für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes in Frage zu stellen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle die Schwerpunkte der Novellierung herausstellen:

Einer der Kernpunkte des Gesetzes ist die Modernisierung der Leitstellenstruktur. Die Möglichkeit zu gemeinsamen integrierten Leitstellen von Feu-erwehr und Rettungsdienst, insbesondere für mehrere Rettungsdienstbereiche, sowie zu kooperativen Regionalleitstellen (sog. Leitstellenkooperationen) unter Einbeziehung der Polizei hat jetzt eine gesetzliche Grundlage erhalten.

Die Landesregierung hat stets auf die Freiwilligkeit bei der Kooperation von Leitstellen gesetzt, sei es nun von mehreren kommunalen Trägern oder von Kommunen und Polizei. Der vorliegende Gesetzentwurf stellt die Freiwilligkeit noch einmal klar heraus. Ich weiß, dass einzelne Interessengruppen dieses immer wieder bewusst falsch dargestellt und von einer Zwangsehe unter dem Dach der Polizei gesprochen haben. Das hat leider für viel unnötige Verunsicherung in der Rettungsdienstlandschaft und bei der Feuerwehr gesorgt.

Auch Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, haben nichts unversucht gelassen, der Landesregierung in dieser Frage falsche Absichten zu unterstellen. Sie hätten allerdings darlegen sollen, dass, wenn Sie selbst von "Freiwilligkeit" sprechen, in Wirklichkeit "Stillstand" meinen. Althergebrachte Strukturen können aber nicht um jeden Preis für unveränderbar erklärt werden. Es geht vielmehr darum, den Anforderungen der sich rasant verändernden Lebensumstände innovativ und professionell gegenüberzutreten und für neue Lösungen aufgeschlossen zu sein.

Ich will Ihnen deshalb erneut die Ausgangssituation der derzeitigen Leiststellenstruktur in Erinnerung rufen: Wir haben insgesamt 75 Leitstellen in Niedersachsen, davon 47 Rettungs- und Feuerwehreinsatzleitstellen und 28 Polizeileitstellen. Es drängt sich doch geradezu die Frage auf, inwieweit dieser Aufwand noch sachlich geboten und wirtschaftlich notwendig ist.

Ich freue mich daher, dass sich im ganzen Land Arbeitsgruppen zusammengeschlossen haben, um in einem konstruktiven Dialog von Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei neue Leitstellenstrukturen zu erarbeiten.

Es ist bereits gelungen, Gemeinsame Absichtserklärungen von Land und Kommunen für die Einrichtung der ersten vier Kooperativen Regionalleitstellen zu unterzeichnen: im Oldenburger Land, in Ostfriesland, in Hameln und in Lüneburg. Beteiligt sind daran insgesamt zehn Landkreise, drei Städte und vier Polizeidirektionen. Und dies alles schon vor Verabschiedung des geänderten Rettungsdienstgesetzes und selbstverständlich freiwillig.

Ich bin mir sicher, dass diesem Weg noch viele andere Kommunen folgen werden. So sind z. B. weitere Vereinbarungen für Osnabrück und Göttingen in Vorbereitung. Durch die gemeinsame Nutzung von Räumen und Technik wird die Zusammenarbeit bei der Gefahrenabwehr zwischen den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben deutlich optimiert und wirtschaftlicher. Dabei bleibt die jeweilige Aufgabenzuständigkeit von Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei erhalten.

Wir wollen das Modell der Kooperativen Regionalleitstelle ganz bewusst in den Wettbewerb um das beste Modell in Niedersachsen einbringen. Ich gehe fest davon aus, dass der kooperative Ansatz keinen Vergleich mit ausschließlich kommunalen Modellen scheuen muss und sich unter funktionalbetriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten durchsetzen wird.

Ziel des Gesetzentwurfes ist es außerdem, den Rettungsdienst wirtschaftlicher zu machen. Daher werden z. B. die Kostenträger bei der Aufstellung der Bedarfspläne stärker eingebunden. Zudem wird die Möglichkeit eröffnet, Budgets zu vereinbaren und so den Beteiligten Anreize zu wirtschaftlichem Verhalten zu geben. Es ist aus meiner Sicht selbstverständlich, dass die Krankenkassen als Kostenträger stärker als bisher eingebunden werden, da sie den Rettungsdienst finanzieren, also die Musik bezahlen, die die Rettungsdienstträger bestellen.

Hierzu gehört auch, dass wir nach langen und intensiven Diskussionen uns dazu durchgerungen haben, die "gewachsenen Strukturen" als Vergabekriterium bei der Beauftragung zu streichen. Bisher mussten die Rettungsdienstträger bei der Suche nach einem Beauftragten die "gewachsenen Strukturen" zwingend berücksichtigen, da das Gesetz hier keinen Spielraum ließ. Die Recht-sprechung hat dieses Kriterium leider aus meiner Sicht völlig falsch interpretiert, nämlich über die anderen drei Vergabekriterien, "Vielfalt der Anbieter", "Leistungsfähigkeit" und "Wirtschaftlichkeit" gestellt.

Damit konnte in der Vergangenheit auch ein unwirtschaftlicher Anbieter zum Zuge kommen, obwohl das Gesetz an anderer Stelle die Rettungsdienstträger verpflichtet, einen wirtschaftlich arbeitenden Rettungsdienst vorzuhalten.

Diesen Widerspruch haben wir nun beseitigt, auch mit Blick auf das laufenden Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission, die das bisherige Vergabesystem für europarechtswidrig hält. Die Rettungsdienstträger können nun im Rahmen einer allgemeinen Ausschreibung ihren Beauftragten frei und ohne gesetzliche Vorgaben auswählen.

Wir haben daher durch die Streichung der "gewachsenen Strukturen" zwei Dinge gleichzeitig erreicht: nämlich zum einen die Wirtschaftlichkeit bei der Auswahl der Beauftragten gestärkt und zum anderen das Beauftragungsverfahren europatauglich ausgestaltet. Ein Qualitätsverlust für die Patienten, wie immer wieder von den Kritikern behauptet, ist damit nicht verbunden. Das Gesetz schreibt nach wie vor die Standards im Rettungsdienst fest, und diesen Standard haben wir an mehreren Stellen zum Wohle der Patienten erhöht. Liberalisierung bei der Vergabe ist gerade nicht gleichbedeutend mit Qualitätsverlust. Diese falsche Behauptung wird gern in den Mund genommen, um Besitzstände zu verteidigen und unliebsame Konkurrenz fernzuhalten.

Es geht also den Kritikern nicht in erster Linie um das Wohl der Patienten, sondern um ihren finanziellen Vorteil. In Zeiten leerer Kassen ist dies jedoch nicht akzeptabel, denn die Zeche zahlt letztlich der Beitragszahler, und Beitragszahler sind wir alle.

Ein weiteres Beispiel zur Kostendämpfung sind die Patientenverlegungen unter intensivmedizinischer Betreuung zwischen Krankenhäusern. Die Verlegung wird vor dem Hintergrund der zunehmenden Spezialisierung und der Neuordnung der Krankenhausstrukturen an Bedeutung gewinnen.

Die Gesetzesnovelle schafft hier gesetzliche Grundstrukturen, die wirtschaftliches Verhalten sicherstellen. Erstmals wird der Intensivtransportwagen als bodengebundenes Rettungsmittel in das Gesetz eingeführt. Aus Wirtschaftlichkeitsgründen wird die Möglichkeit eröffnet, dass mehrere kommunale Träger gemeinsam einen Intensivtransportwagen betreiben. In der Luftrettung wird die bereits existierende Zentrale Koordinierungsstelle für Intensivverlegungen erstmals auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Diese Stelle koordiniert mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit landesweit medizinisch notwendige Verlegungsflüge von Patienten und soll diese Aufgabe zukünftig auch für die Intensivtransporte wahrnehmen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Novellierung besteht darin, ein richtungweisendes Qualitätsmanagement im Rettungsdienst zu implementieren. Dazu wird ein Ärztlicher Leiter eingeführt, dem das medizinische Qualitätsmanagement obliegt. Er übt die medizinische Kontrolle über den Rettungsdienst aus und ist für die Effektivität sowie Effizienz der präklinischen notfallmedizinischen Versorgung der Patienten verantwortlich.

Ferner regelt das Gesetz die Mindestbesetzung von bodengebundenen Rettungsmitteln. Bei der Notfallrettung ist mindestens ein Rettungsassistent und beim qualifizierten Krankentransport mindestens ein Rettungssanitäter einzusetzen. Die von der Opposition geforderte zusätzliche Festlegung von Mindeststandards für den Fahrer eines Notarztes und des Leitstellenpersonals wäre dagegen eine unnötige Überregulierung und nicht zielführend für ein rettungsdienstliches Qualitätsmanagement. Das Gesetz stellt es in die Verantwortung des Trägers, hier eigene Personalstandards und Qualitätsanforderungen zu entwickeln.

Viele Vorschläge und Anregungen sind in den vorliegenden Gesetzentwurf eingegangen. Die intensive Verbandsbeteiligung hat gezeigt, dass die Novellierung zum jetzigen Zeitpunkt richtig war. Der Gesetzentwurf stellt den bestmöglichen Konsens der vielfältigen Interessen dar und wird den Rettungsdienst in Niedersachsen bundesweit an die Spitze bringen.

Vielen Dank!

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
11.07.2007
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010

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