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Verfassungsschutz bei Einbürgerungen

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 21.01.2011; Fragestunde Nr. 43


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ralf Briese, Helge Limburg und Filiz Polat (GRÜNE); Es gilt das gesprochene Wort!

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Kürzlich hat das Verwaltungsgericht Göttingen einem Marokkaner, der in Deutschland studiert hat und hier eigenständig seinen Lebensunterhalt verdient, in einem Rechtstreit gegen die Einbürgerungsbehörde vollumfänglich Recht gegeben. Die Behörde wollte aufgrund einer Stellungnahme des niedersächsischen Verfassungsschutzes der Einbürgerung des Marokkaners nicht stattgeben. Der Verfassungsschutz hatte aufgrund der Moscheebesuche des Klägers diesen als extremistisch eingestuft und sinngemäß erklärt, dass der Kläger verfassungsfeindliche Bestrebungen durch den Besuch der Freitagsgebete unterstützt und gebilligt habe. Demgegenüber stellte das Gericht fest, dass die Einbürgerungsvorrausetzungen nach dem Staatsbürgerschaftsgesetz durch den Kläger erfüllt seien, und rügte den Verfassungsschutz. Danach heißt es u. a. im einschlägigen Urteil:

„Hier werden unbescholtene und gläubige Moslems als Moscheebesucher in nicht zu akzeptierender Weise unter einen generellen verfassungsfeindlichen Fundamentalismusverdacht gestellt, obwohl die Moscheebesucher einzelne Äußerungen von Vorbetern bei Gebeten weder inhaltlich beeinflussen noch regelmäßig vorhersehen können (insbesondere bei wechselnden Vorbetern). Von daher ist es verfehlt, ja unverantwortlich, einzelne Äußerungen von Vorbetern, die seitens des Verfassungsschutzes als verfassungsfeindlich bewertet werden, den schlichten Moscheebesuchern im Sinne einer aktiven Unterstützungshandlung von angeblichen verfassungsfeindlichen Bestrebungen des Trägers der Moschee zuzurechnen, zumal wenn den Moscheebesuchern von solchen Bestrebungen des Trägers nichts bekannt ist.“

Einmal mehr wird durch das Gerichtsurteil die Auffassung der niedersächsischen Landesregie-rung zu Artikel 4 des Grundgesetzes deutlich. Bereits die polizeilichen Moscheekontrollen auf unbescholtene Muslime stellten nach Ansicht namhafter Verfassungsexperten einen Verstoß gegen dieses Grundrecht dar. Des Weiteren ist der oben geschilderte Fall nicht der erste, in dem Stellungnahmen des niedersächsischen Verfassungsschutzes in den Medien hinterfragt und kritisiert werden. Im Einbürgerungsfall Menger-Hamilton hat die Stellungnahme des Verfassungsschutzes ebenfalls zur Verzögerung und Verkomplizierung eines Einbürgerungsfalles geführt. Nur am Rande sei hier noch erwähnt, dass es sich in beiden Fällen um hoch qualifizierte Akademiker handelt, welche die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt haben.

Wir fragen die die Landesregierung:

  1. Welche Konsequenzen zieht sie aus der oben zitierten Gerichtsentscheidung für zukünftige Stellungnahmen des Verfassungsschutzes bei Einbürgerungsfällen?
  2. Sollen auch zukünftig Moscheebesucher allein aufgrund von politisch fragwürdigen Aussagen des Vorbeters in der Moschee automatisch als extremistisch eingestuft werden?
  3. Worin liegen die Falscheinschätzungen des Verfassungsschutzes im oben genannten Fall begründet?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Die Verfassungsschutzbehörde ist in dem angesprochenen Einzelfall der gesetzlich festgelegten Mitwirkungspflicht (§ 3 Abs. 3 Nr. 3 Niedersächsisches Verfassungsschutzgesetz [NVerfSchG], § 37 Abs. 2 Staatsangehörigkeitsgesetz [StAG]) nachgekommen und hat auf Anfrage der für die Entscheidung über den Einbürgerungsantrag zuständigen Stadt Göttingen schriftlich Erkenntnisse mit Bezug zu § 11 Nr. 1 Satz 1 StAG mitgeteilt. Der Einbürgerungsbewerber war nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes Besucher der „Al-Iman-Moschee“ des Vereins „Islamische Gemeinschaft Al-Iman e.V.“.

Im Kontakt mit der Einbürgerungsbehörde regte die Verfassungsschutzbehörde an, den Antragsteller zu befragen:

1. zu den gewaltverherrlichenden Aussagen in den Freitagsgebeten in der Al-Iman-Moschee

2. zu seiner Einstellung zu den islamistisch geprägten Äußerungen, die regelmäßig in den Freitagsgebeten festgestellt worden sind.

Dieser mit Hinweisen zur verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung versehenen Anregung ist die Einbürgerungsbehörde in schriftlicher Form gefolgt und hat vor Ablehnung des Einbürgerungsantrages Korrespondenz mit dem Rechtsanwalt des Antragstellers geführt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

Gemäß § 37 Abs. 2 StAG wird die Verfassungsschutzbehörde auch zukünftig in Einbürgerungsverfahren ihrer Verpflichtung nachkommen, den zuständigen Einbürgerungsbehörden für deren Prüfung von Ausschlussgründen nach § 11 StAG die bei ihr jeweils vorhandenen Informationen mitzuteilen.

Zu 2.:

Die Landesregierung hält es auch weiterhin für erforderlich, dass die Verfassungsschutzbehörde im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung auch Moscheen und deren Besucher differenziert danach beurteilt, ob dort sogenannte „Hasspredigten“ gehalten werden, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten, gewaltverherrlichende Aussagen enthalten oder terroristischen Aktionen positiv bewerten, diese unterstützen oder gar zu ihnen aufrufen.

Zu 3.:

Das Gericht ist im Rahmen seiner Beweisführung den Aussagen des Klägers gefolgt und hat darauf gestützt eine andere Bewertung im Einbürgerungsverfahren des Klägers vorgenommen als die beklagte Einbürgerungsbehörde.

Im Übrigen enthält sich die Landesregierung einer Bewertung.

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erstellt am:
21.01.2011

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