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Spätaussiedler in Niedersachsen

Rede von Innenminister Boris Pistorius zu TOP 21 zur Großen Anfrage der Fraktion der CDU in der Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 27. Oktober 2016

Sehr geehrter Herr Präsident,

sehr geehrte Damen und Herren,

mit der uns heute vorliegenden Großen Anfrage der Fraktion der CDU an die Landesregierung vom 31. Mai 2016 wurden 23 Fragen zum Thema Spätaussiedler in Niedersachsen gestellt und beantwortet.

Die Fragen und Antworten decken ein sehr breites Spektrum ab: Erfragt wurden beispielsweise die Anzahl, die Herkunftsländer, der rechtliche Status nach dem Bundesvertriebenengesetz, und die Siedlungsschwerpunkte der in Niedersachsen aufgenommenen Spätaussiedler.

Es wurde die Änderung des Bundesvertriebenengesetzes thematisiert, die in 2013 auf Initiative Niedersachsen erfolgte.

Wie in den Vorbemerkungen der Landesregierung dargestellt, ist die Zuwanderung von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern und ihren Familienangehörigen aus Sicht der Landesregierung eine Bereicherung für unser Gemeinwesen. Die Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler bilden in den letzten Jahrzehnten die stärkste Zuwanderungsgruppe in Niedersachsen. Ihre Eingliederung ist ganz klar als Erfolgsgeschichte zu werten.

Die Integration der Aussiedlerinnen und Aussiedler in die deutsche Gesellschaft vollzog sich Ende der 80er Jahre eher unauffällig. Dann folgten die 90er Jahre mit Zuzugszahlen im sechsstelligen Bereich. Über lange Zeit zeichnete die Berichterstattung in den Medien ein negatives Bild, etwa von straffällig gewordenen russlanddeutschen Jugendlichen. Auch Wissenschaftler wagten anfänglich keine günstigen Prognosen. Über Normalität und Erfolge wurde lange Zeit kaum berichtet.

Wie in der Vorbemerkung zur Großen Anfrage dargestellt, gab es Anfang dieses Jahres erstmals wieder Presseberichterstattung, die ein negatives Bild von dieser Zuwanderungsgruppe zeichnete.

Zu Jahresbeginn haben Vertreter der rechtsextremistischen Szene versucht, die aufgebrachte Stimmung unter den Russlanddeutschen um den Fall „Lisa“ für ihre politischen Ziele strategisch zu nutzen - oder besser gesagt propagandistisch zu missbrauchen. Sehr vereinzelt hatten sie damit leider auch Erfolg. Es war zu beobachten, dass vor allem deutschsprachige Plattformen russischer Medien und das Internet dazu genutzt wurden, die öffentliche Meinung über Spätaussiedler in Deutschland negativ zu beeinflussen.

Es war richtig, dass die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland zu diesem Zeitpunkt ohne Zögern das offene Gespräch mit Politik und Medien gesucht hat. Die Landsmannschaft hat ihren Standpunkt offensiv vertreten. In Stellungnahmen ihres Bundesvorstandes verwehrt sich die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland gegen pauschale Behauptungen. Sie fordert - wie ich meine absolut zurecht ­- eine differenzierte Betrachtung ein: Deutsche aus Russland sind weder rechtsradikal noch fremdgesteuert. Die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland bekennt sich ausdrücklich zu unserer freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung. Die Landesgruppe Niedersachsen hat sich den Stellungnahmen und der Positionierung des Bundesvorstandes angeschlossen und unterstützt sie aktiv.

Ich kann den Wunsch sehr gut nachvollziehen, dass die Deutschen aus Russland mit Rechtsextremen nicht „über einen Kamm“ geschoren werden wollen. Ich nehme diese Sorge auch sehr ernst. Wir sollten uns alle um eine Versachlichung und Differenzierung in der Diskussion bemühen.

Die Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage nimmt deswegen Bezug auf Studien des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung und auf den „Forschungsbericht 20“ des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge. Diese Studien ermöglichen eine sachliche und differenzierte Betrachtungsweise. Die Studien belegen “eine durchweg positive Entwicklung bei der Eingliederung der (Spät-)Aussiedlerinnen und (Spät-)Aussiedler und ihren Familienangehörigen in die bundesdeutsche Gesellschaft“.

Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung fasst in seiner Studie in Bezug auf die Integration von Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedlern und Aussiedlerinnen und Aussiedlern zusammen: „… Ebenfalls gute Integrationswerte, und das widerlegt zum Teil die öffentliche Wahrnehmung, weist die sehr große Gruppe der Aussiedler auf. Über diese war bisher wenig bekannt, weil die Zugewanderten sofort einen Anspruch auf einen deutschen Pass haben und bisher statistisch nicht mehr zu identifizieren waren. Sie werden in dieser Studie erstmals als eigene Gruppe untersucht. Die Aussiedlerinnen und Aussiedler sind mit einem vergleichsweise hohen Bildungsstand nach Deutschland gekommen. Sie finden sich relativ gut auf dem Arbeitsmarkt zurecht, und viele Faktoren weisen darauf hin, dass sie sich aktiv um die Integration in der Gesellschaft bemühen. So hat sich die Generation der in Deutschland Geborenen gegenüber der ihrer Eltern in jeder Hinsicht deutlich verbessert.“

Dem vorgenannten Forschungsbericht des Bundesamtes sind die zentralen Ergebnisse der umfänglichen Studie vorangestellt und in 16 Punkten zusammengefasst. Inhalte betreffen beispielsweise die Struktur der schulischen und beruflichen Qualifikation, die Erwerbs- bzw. Arbeitslosigkeit, die Einkommenssituation von (Spät-)Aussiedlern, ihr zivilgesellschaftliches Engagement oder Sprachkenntnisse im Vergleich zu anderen Migrationsgruppen. Näheres dazu ist in der Antwort zu Frage 23 dargestellt.

Man kann sagen: die Integration der Spätaussiedler in Deutschland ist eine Erfolgsgeschichte. In Deutschland leben heute mehr als 4,5 Millionen Aussiedler mit ihren Familienangehörigen. Der ganz überwiegende Teil der Russlanddeutschen ist in Deutschland gut integriert. Sie teilen unsere gemeinsamen Werte, stehen zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung und haben sich nach ihrer Ankunft aktiv und gewinnbringend in die deutsche Gesellschaft eingebracht.

Die Landesregierung möchte (spät-)ausgesiedelte Menschen weiterhin dabei unterstützen, ihre kulturelle Identität zu wahren oder wiederzugewinnen. Die Unterstützungsleistungen für Spätaussiedler, die in der Beantwortung der Großen Anfrage im Einzelnen skizziert sind, sind ein Zeichen der Solidarität mit Spätaussiedlern.

Auch die von mir bereits in den Anfängen meiner Amtszeit übernommene Patenschaft über die Landesgruppe der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland und die Teilnahme von Mitgliedern des Landtages und der Landesregierung an landsmannschaftlichen Veranstaltungen sind ein Zeichen der Wertschätzung. Aus Fremden sind über die Jahre Nachbarn geworden, die ganz selbstverständlich zu uns gehören.

Die Leistungen der Spätaussiedler verdienen nach Auffassung der Landesregierung Lob und Anerkennung. Der ganz große Teil von ihnen hat sich eigenverantwortlich und vorbildlich in unsere Gesellschaftsordnung eingebracht. Ich bin sicher, dass die Erfolgsgeschichte der Spätaussiedler um viele weitere Kapitel ergänzt werden wird. Auf die Unterstützung meines Ministeriums können Sie weiterhin bauen!

Herr Landtagspräsident hat in seiner Festrede anlässlich der Gedenkfeier der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland im Grenzdurchgangslager Friedland zum 75. Jahrestag der sogenannten „Stalin-Dekrete“ den Wunsch formuliert, dass die Deutschen aus Russland auch weiterhin eine so positive Stellung in unserer freiheitlichen und offenen Gesellschaft einnehmen können und dabei ihre ganz eigene Identität zu bewahren wissen.

Diesem positiven Ausblick schließt sich die Niedersächsische Landesregierung vollumfänglich an.

Vielen Dank.

Presseinformation

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erstellt am:
27.10.2016

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