Nds. Ministerium für Inneres und Sport Niedersachsen klar Logo

Missionieren Salafisten unter Anleitung Pierre Vogels in Niedersachsen?

Sitzung des Nds. Landtages am 15. September 2016; TOP 17 b) Dringliche Anfrage


Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport antwortet namens der Landesregierung auf die Dringliche Anfrage der Fraktion der CDU wie folgt:

Sehr geehrter Herr Präsident,

meine Damen und Herren,

die Niedersächsische Landesregierung ist sich der Gefahr, die der Salafismus mit sich bringt, sehr bewusst und stellt sich entschlossen den damit verbundenen Herausforderungen. Daher liegt ein großer Fokus der Landesregierung bei der Ausstattung der Sicherheitsbehörden und bei der ressortübergreifenden Salafismusprävention.

Der polizeiliche Staatsschutz im Landeskriminalamt Niedersachsen und den Polizeidirektionen wurde personell deutlich aufgestockt. Auch die Stellen beim Niedersächsischen Verfassungsschutz wurden bereits in diesem Jahr um zwölf Planstellen erweitert und im nächsten Jahr werden dazu sechs weitere zusätzliche Dienstposten geschaffen. Der Bereich Islamismus wird mit einer zusätzlichen Stelle für einen Wissenschaftler gestärkt.

Die Landesregierung hat weiterhin dafür gesorgt, dass ein breitgefächertes Angebot an Präventions-, Deradikalisierungs- und Ausstiegsformaten in Niedersachsen im Bereich des Islamismus/Salafismus entstanden ist und weiter entwickelt wird. Wesentliche Präventionsakteure sind u.a. der Verfassungsschutz, die Polizei und das LKA, der Landespräventionsrat, das Justizministerium, das Sozialministerium mit dem Verein „beRATen e. V.“ und das Kultusministerium. Sie alle engagieren sich in Sachen Salafismusprävention und vernetzen ihre Aktivitäten immer enger. Seit 2014 gibt es darüber hinaus eine Präventionsstelle PMK.

Die Vernetzung von Verfassungsschutz und Polizei in Niedersachsen im Themenfeld Islamismus-/Salafismusprävention ist eng. Beispielhaft dafür ist der „Standardisierte Maßnahmenkatalog der niedersächsischen Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit salafistischen Brennpunkten sowie Jihad-Ausreisenden und -Rückkehrern“. Das LKA und der Verfassungsschutz haben diesen Maßnahmenkatalog im letzten Jahr gemeinsam erarbeitet.

Mit diesem Maßnahmenkatalog werden die Handlungsweisungen der Sicherheitsbehörden zusammengefasst und aktualisiert. In dem Maßnahmenkatalog ist neben dem abgestimmten gefahrenabwehrenden und repressiven Vorgehen der Sicherheitsbehörden an salafistischen Brennpunkten auch die koordinierte Präventionsarbeit festgelegt.

Mit diesen Maßnahmen ist im Jahr 2016 das Beratungsangebot in Sachen Deradikalisierung und Ausstieg im Vergleich zu 2013 deutlich vielfältiger und fachlich qualitativ hochwertiger geworden.

Der Versuch von islamistischen Gruppierungen durch Missionierungsaktivitäten neue Mitglieder anzuwerben ist ein bundesweites Phänomen. Dies kann beispielsweise bei der Tablighi Jama´at (gespr.:Tablii-Jamat) beobachtet werden, deren Anhänger in sogenannten Jama´ats (gespr.Jamats) (Gruppen) reisen, um ihre Lehre zu verbreiten. Nach wie vor ist der Salafismus die dynamischste islamistische Bewegung weltweit. Dies macht sich in zunehmenden Maße auch in Niedersachsen bemerkbar, denn auch im Salafismus ist die Missionierung, sog. Da´wa-Arbeit (gespr. Dawa), ein Kernbestandteil der Ideologie. Den ohnehin schon regen Zulauf insbesondere in salafistischen Zentren im Umfeld größerer Städte versuchen Salafisten auch durch sogenannte „Street-Dawa“, Koran-Verteilstände und Anwerbeversuche auch in der Nähe von Flüchtlingsunterkünften zu erweitern.

Dementsprechend treten Salafisten häufig mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen, wie Infoständen oder mobilen Verteilaktionen in Erscheinung, bei denen Personen angesprochen werden und salafistische Literatur angeboten wird. In Niedersachsen sind hierbei im Jahr 2016 insbesondere die regelmäßigen Koranverteilaktionen von „Siegel der Propheten“ in Hannover und die vierzehntägig stattfindenden Islam-Infostände der Deutsch-sprachigen Muslimischen Gemeinschaft in Braunschweig zu nennen.

Für das Jahr 2016 sind bislang etwa 114 Anmeldungen zu Koranverteilungskampagnen bei den örtlichen Ordnungsbehörden bekannt geworden. Ob alle angemeldeten Koranverteilungen tatsächlich durchgeführt wurden, ist den Sicherheitsbehörden nicht bekannt. Hier wollen wir den Kommunen empfehlen, solche Koranverteilaktionen zukünftig zu verbieten. Einen entsprechenden Erlass lasse ich zurzeit prüfen. Darüber hinaus sind den Sicherheitsbehörden seit Beginn dieses Jahres bislang vier Sachverhalte bekannt geworden, die auf ein mögliches Anwerben oder auf Anwerbeversuche durch Islamisten bei Flüchtlingen hindeuten.

Zu Frage 1:

Ich verweise auf die zuvor gemachten Aussagen.

Zu Frage 2:

Bereits im Februar 2008 erfolgten in Zusammenhang mit Ermittlungen gegen einen anderen Personenkreis erstmalig die Kenntnisnahme von einem im Internet gespeicherten Video mit Pierre Vogel und Safia S. durch das Landeskriminalamt Niedersachsen.

Es handelte sich um ein Video zu einer Veranstaltung am 2. Februar 2008 mit Pierre Vogel und der damals siebenjährigen Safia S. in (wie anschließende Ermittlungen ergaben) den Räumlichkeiten des „Deutschsprachigen Islamkreis Hannover e.V.“ (DIK Hannover). Ein entsprechender Bericht wurde vom Landeskriminalamt Niedersachsen am 29. April 2008 der Kriminalfachinspektion 4 der Polizeidirektion Hannover übersandt. Zu diesem Zeitpunkt wurden keine Anhaltspunkte für einen staatsschutzpolizeilichen Hintergrund gesehen. Sowohl im Jahr 2008 als auch im Jahr 2010, als dem Niedersächsischen Verfassungsschutz insgesamt drei Videos, u.a. zu einer Veranstaltung mit Pierre Vogel und Safia S. am 18. April 2010, bekannt geworden sind, war kein Anfangsverdacht für eine islamistische Radikalisierung der neunjährigen Safia S. gesehen worden, so dass leider keine konkreten Ermittlungen oder eine Weitergabe von Informationen an das Jugendamt oder an die Grundschule erfolgten.

Zu Pierre Vogel lagen 2008 und 2010 zwar Erkenntnisse als salafistischer Redner und Prediger vor (eine Speicherung im Verfassungsschutzverbund als salafistischer Prediger erfolgte ab 2006), es wurden jedoch keine darüber hinaus vorliegenden Erkenntnisse auf ein salafistisches Gefahrenpotenzial in Bezug auf Gewalt gesehen.

Der bundesweit bei verschiedenen Veranstaltungen der islamischen oder islamistischen Szene als Redner auftretende und in Nordrhein-Westfalen wohnhafte Pierre Vogel ist nach Erkenntnissen der niedersächsischen Sicherheitsbehörden im Jahr 2016 zwei Mal in Niedersachsen in Erscheinung getreten. Sein erster Auftritt fand vom 31. Dezember 2015 bis zum 1. Januar 2016 in der Deutschsprachigen Muslimischen Gemeinschaft in Braunschweig statt. Dort hielt er an Silvester einen Vortrag und an Neujahr die Freitagspredigt. Darüber hinaus veröffentlichte Vogel am 8. März 2016 ein Video auf YouTube mit dem Titel „Lügen über Safia aus Hannover!“. In diesem Video, welches Vogel am Maschsee in Hannover zeigt äußert er sich zu dem Messerangriff von Safia S. auf einen Bundespolizisten im Hauptbahnhof Hannover sowie zu seiner Beziehung zu Safia S.. Vogel habe sich extra in Hannover „zur Sache“ erkundigt, um seinen Abonnenten „die Wahrheit“ über die Tatverdächtige, zu berichten.

Er selber habe sie nur vier Mal in seinem Leben gesehen und zweifelt deren versuchte Ausreise in Richtung Syrien im Kontext eines möglichen Anschlusses an den sog. Islamischen Staat an. Ebenso werden die Umstände der Tat sowie die Folgen für den verletzten Beamten der Bundespolizei heruntergespielt. Vogel räumt zwar ein, dass Safia S. hier möglicherweise „einen Fehler“ begangen habe, sichert ihr jedoch trotzdem jegliche Unterstützung zu. Die Hannoversche Allgemeine Zeitung veröffentlichte hierzu ebenfalls am 11. März 2016 einen entsprechenden Online-Artikel auf ihrer Homepage.

Am 6. Juni 2016 hat eine Gruppe traditionell islamisch gekleideter Männer in Cloppenburg eine Missionierung durchgeführt. Laut Presseberichterstattung soll sich darunter auch Pierre Vogel befunden haben. Diese Information hat sich aber nicht bestätigt. Es handelte sich bei dieser Person um einen Konvertiten aus Bochum, der eine große Ähnlichkeit mit Pierre Vogel aufweist.

Zu Frage 3:

Nach Bekanntwerden des Verschwindens von Ahmed A. mussten sich die niedersächsischen Sicherheitsbehörden leider erneut in der politischen Landschaft dem Vorwurf einer "Panne" aussetzen. Ein Vorwurf, den auch Polizeipräsident Binias gestern in der gemeinsamen Sondersitzung des Ausschusses für Verfassungsangelegenheiten zu der auch die Mitglieder des Ausschusses für Inneres und Sport sowie des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen hinzugeladen wurden nachdrücklich zurückwies. Er persönlich und zwei weitere Beamte hätten alle Vorgänge überprüft. Man habe keinen Anhaltspunkt für einen Fehler gefunden. Es habe keine rechtliche Grundlage für einen Haft- oder Unterbringungsbefehl gegeben.

Seit dem 11. Juli 2016 kommt Ahmed A. seiner Meldeverpflichtung bei der Polizei, die ihm seitens der Landeshauptstadt Hannover auferlegt worden ist, nicht mehr nach. Gegen ihn besteht ein Ausreiseverbot; die Ausweispapiere sind ihm entzogen worden.

Die Sicherheitsbehörden fahnden mit Hochdruck nach Ahmed A. auf Grundlage des Gefahrenabwehrrechtes.

Presseinformation

Artikel-Informationen

erstellt am:
15.09.2016

zum Seitenanfang
zur mobilen Ansicht wechseln