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Kriminalität in der Landesaufnahmebehörde Braunschweig – Kultur des Wegsehens schadet Gesellschaft und Asylbewerbern

Rede von Innenminister Boris Pistorius zu TOP 2 a), Aktuelle Stunde zum Antrag der Fraktion der CDU in der Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 1. März 2017

Sehr geehrter Präsident,

sehr geehrte Damen und Herren,

bereits im Rahmen der letzten Aktuellen Stunde habe ich Ihnen gesagt, dass ich die pauschale Kritik an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landesaufnahmebehörde in Braunschweig für nicht akzeptabel halte. Doch leider scheint dies nicht angekommen zu sein, sonst hätten Sie nicht erneut diesen reißerischen Titel gewählt, der eine angebliche „Kultur des Wegsehens“ in der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI) suggeriert und die Beschäftigten dort wieder direkt angreift. Dagegen stelle ich mich mit aller Entschiedenheit, weil ich weiß, dass man sich an Recht und Gesetz hält.

Aber das geht ja auch alles getreu dem Motto „Wer hat noch nicht, wer will nochmal, hau‘ drauf, es ist so schön. Wir können hier ein Thema reiten, uns vermeintlich politisch nutzt.“ Aber tatsächlich – und da greife ich, wenn auch mit einer anderen Zielrichtung, gerne auf, was Herr Dr. Birkner gesagt hat: Die Debattenkultur hier im Haus aber auch draußen im Land nachhaltig zu vergiften geeignet ist.

In den vergangenen Wochen haben wir mehrfach zu diesem Thema sowohl im Innenausschuss als auch im Landtag umfangreich Stellung bezogen. Vielleicht hätte der eine oder andere das eine oder andere Mal besser zuhören sollen, dann bräuchte man das hier nicht alles zu wiederholen.

Auch heute werde ich es mir nicht nehmen lassen, mich erneut für die gute Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesaufnahmebehörde zu bedanken. Ihnen ist es zu verdanken, dass allen Flüchtlingen in kürzester Zeit geholfen wurde und auch unter den extremsten Bedingungen eine Obdachlosigkeit verhindert wurde. Und es ist weit mehr geleistet worden, liebe Frau Lorberg, als die Menschen nur mit Sauberkeit, Trockenheit und Essen zu versorgen. Ja, Frau Lorberg, so ist das: Wir sind alle gleich schlau, die einen vorher, die anderen hinterher. Sie haben sich damals lobend geäußert in der Braunschweiger Zeitung, aber lassen wir das.

Gegen Ihren Vorwurf, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der LAB NI bei kriminellem Verhalten der Bewohnerinnen und Bewohner beide Augen zudrücken würden, wehre ich mich entschieden. Sobald es Anzeichen für strafbares Verhalten von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern gibt, nehmen die Kolleginnen und Kollegen an allen Standorten unverzüglich mit der Polizei Kontakt auf.

Und wenn hier der Eindruck erweckt wird, die Landesaufnahmebehörde in Braunschweig sei ein Hort von Kriminalität, weil Menschen dort untergebracht seien, die übrigens aufgrund der von CDU auf Bundesebene durchgesetzten Gesetzgebung dort untergebracht sind, dann will ich Sie darüber gerne aufklären.

Wir hatten im Jahre 2016 insgesamt in der Eingangsstatistik der Polizei 513 Straftaten bei insgesamt 17.000 Menschen, die diese Einrichtung durchlaufen haben. Davon waren 52 einfache Körperverletzungen, 29 gefährliche Körperverletzungen, 113 Fälle von Sozialleistungsbetrug, unerlaubte Einreise/Aufenthalt 131, Hausfriedensbruch 35, und der so vielfach hochgehypte Vandalismus ist genau acht Mal vorgekommen. So viel zu den Szenarien, die Sie hie an die Wand malen, meine Damen und Herren.

Seitens der Polizei Braunschweig ist in den letzten Monaten festgestellt worden, dass sich am Standort unter anderem auch geduldete und abgelehnte Asylbewerberinnen und Asylbewerber aufhalten, die der Polizei wegen unterschiedlicher Straftaten aufgefallen sind. Hierzu haben wir uns natürlich von der Polizeidirektion Braunschweig berichten lassen. Sie teilte uns exemplarisch einige Sachverhalte mit, wonach Asylbewerberinnen und Asylbewerber mit Wohnsitz in der LAB NI Braunschweig strafrechtlich in Erscheinung getreten sind. Diese Straftaten wurden übrigens ganz überwiegend nicht dort verübt.

Es ist doch kein Geheimnis, meine Damen und Herren, und gerade diese Landesregierung hat das auch nie versucht, so darzustellen, dass sich unter der Vielzahl von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern eben auch einige wenige Kriminelle befinden. Wir als Landesregierung haben das nie verschwiegen, im Gegenteil, und diesem Problem müssen sich übrigens auch alle anderen Länder stellen. Diesen Menschen, die straffällig werden, begegnen wir unabhängig von ihrer Herkunft mit aller Konsequenz im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten.

Und wenn Sie uns nun vorwerfen, dass wir diesen Menschen angeblich illegal einen „Unterschlupf“ gewähren, so kann ich Ihnen gerne einmal die Rechtsgrundlagen erläutern. Gemäß
§ 47 Asylgesetz sind wir verpflichtet, alle Asylbewerberinnen und Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten für die Dauer des Asylverfahrens und im Falle der Ablehnung bis zur Ausreise oder Abschiebung unterzubringen. Insofern können sich eben auch abgelehnte – und müssen es sogar – Asylbewerberinnen und Asylbewerber rechtmäßig in der Landesaufnahmebehörde aufhalten.

Ich will aber nicht ausschließen, dass sich nicht noch die eine oder andere Person zusätzlich dort aufhält, die dort nichts zu suchen hat. Das Gelände ist zwar durch einen hohen Zaun vor einem unbefugten Zutritt gesichert, es handelt sich aber immer noch um eine Landesaufnahmebehörde und nicht um ein Gefängnis oder ein Internierungslager. Personen, die auf dem üblichen Weg den Standort betreten oder verlassen möchten, werden durch die beauftragten Sicherheitsdienste kontrolliert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es mutet wirklich merkwürdig an, was Sie hier für Szenarien konstruieren. Es lag nicht in der Verantwortung des Landes Niedersachsen, dass derartig viele Flüchtlinge zu uns gekommen sind. Der Umstand, dass die Situation von einigen wenigen für Straftaten ausgenutzt wurde, ist etwas das uns und auch alle anderen Bundesländer stark beschäftigt. Wir waren aber in Niedersachsen keineswegs tatenlos, sondern haben als eines der ersten Bundesländer im Herbst 2015 bereits einen „Flüchtlingsmerker“ in die polizeiliche Statistik aufgenommen. Es wurden Sonder- und Ermittlungseinheiten – wie die Soko ZErm – installiert, in deren Gebiet sich eine Erstaufnahmeeinrichtung befindet.

Es ist mir unverständlich und ich sage das auch sehr deutlich: Ich finde es auch ehrenrührig, wie Sie von der Opposition angesichts dieser Maßnahmen ernsthaft behaupten können, wir hätten Straftaten von Flüchtlingen ignoriert oder gar vertuscht. Das entbehrt jeglicher Grundlage und wird auch nicht richtiger, wenn Sie das entgegen dieser Faktenlage ständig wiederholen.

Aber meine Damen und Herren, die Beiträge heute Morgen haben ja auch wieder gezeigt, dass es im Grunde genommen gar nicht darum geht. Es geht darum, wieder sattsam Bekanntes zu wiederholen. Sie nehmen diesen Vorgang zum Anlass, um draufzuhauen. Nach dem Motto „wegschließen, wegsperren, abschieben, stigmatisieren“. Das fällt Ihnen dazu ein, wenn wir darüber reden, dass Flüchtlingskriminalität nicht tabuisiert werden darf, aber auch nicht dramatisiert werden darf.

Presseinformation

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erstellt am:
01.03.2017

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