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Beantwortung der Mündl. Anfrage der FDP zur Landesaufnahmebehörde

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 3. Februar 2017; Fragestunde Nr. 57

Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport antwortet namens der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Jörg Bode, Jan-Christoph Oetjen, Christian Grascha, Horst Kortlang, Dr. Stefan Birkner, Dr. Marco Genthe und Almuth von Below-Neufeldt (FDP) wie folgt:

Vorbemerkung der Abgeordneten

Laut Medienberichten kam es in Niedersachsen zu zahlreichen Mehrfachregistrierungen von Flüchtlingen mit verschiedenen Identitäten, um Sozialleistungen des Staates mehrfach zu erhalten. Bekannt sind bisher mehr als 300 Fälle.

Nun berichtet der NDR am 22. Januar 2017, dass erst auf Initiative einer Mitarbeiterin der Landesaufnahmebehörde (LAB) in Braunschweig die Straftaten der Polizei gemeldet worden. Zuvor habe der Leiter der LAB Braunschweig die Mitarbeiterin angewiesen, die Fälle nicht zu melden und die Ordner mit den Akten in den Keller zu bringen und nichts weiter mit ihnen zu machen.

Der NDR schreibt weiter, dass selbst der Polizei die Akten nicht sofort ausgehändigt worden seien. „Auch die Beamten kommen nicht sofort nach der Anzeige an die Akten.“

Laut dem Bericht war der Leiter der LAB für den Chef der Kriminalpolizei Braunschweig, Ulf Küch, telefonisch nicht erreichbar. Erst als er es eine Instanz höher versuchte und die Leitung der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen kontaktierte, wurden die Akten unverzüglich an die Polizei übergeben.

(gegebenenfalls löschen) Vorbemerkung der Landesregierung

1. Sind Mehrfachregistrierungen mit der Abgabe des digitalen Fingerabdrucks ausgeschlossen?

Nein. Mehrfachregistrierungen sind durch entsprechendes mehrfaches Vorstelligwerden der Asylbewerber an mehreren Standorten auch jetzt noch möglich, fallen aber im Wege des sogenannten Fast-ID-Abgleiches seit dem Frühsommer 2016 sofort auf.

2. Wann wurde der Sachverhalt Innenminister Pistorius, Staatssekretär Manke und dem zuständigen Abteilungsleiter bekannt, und was wurde daraufhin veranlasst?

Herrn Minister Pistorius wurde der Sachverhalt mit dem Vorwurf der Vertuschung zuerst am 22. Januar 2017 durch die Presseberichterstattungen bekannt. Am 23. Januar 2017 gab es direkt im Anschluss an die Morgenlage des Ministers eine erste Unterrichtung des Ministers zu dem Thema.

Herrn Staatssekretär Manke und dem zuständigen Abteilungsleiter 1 wurde der Sachverhalte über die Vorlage einer Beschwerde einer ehemaligen Mitarbeiterin der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI) bei der dem Staatssekretär unterstellten unabhängigen Beschwerdestelle für Bürgerinnen und Bürger und Polizei am 12. Dezember 2016 bekannt. Die Beschwerdestelle bat am 13. Dezember 2016 die zuständige Fachabteilung um eine Stellungnahme.

Der Beschwerde wird seitens des zuständigen Referates für die Fachaufsicht über die LAB NI nachgegangen. Eine erste Stellungnahem zu dem Beschwerdevorbringen lag am 13. Dezember 2016 vor. Von Mitte Dezember 2016 bis Mitte Januar 2017 wurden dienstliche Erklärungen der betroffenen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der LAB NI und der ehemaligen Behördenleiterin eingeholt, die dann in der dritten Kalenderwoche 2017 einer zusammenfassenden Bewertung des Präsidenten der LAB NI unterzogen wurden. Ebenso hat die zuständige Polizeidirektion am 3. Januar 2017 und 23. Januar 2017 eine Stellungnahme vorgelegt. Unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens wurde ein vorläufiger Untersuchungsbericht mit Stand vom 25. Januar 2017 erstellt. Ferner hat die Landesregierung im Ausschuss für Inneres und Sport am 27. Januar 2017 über den Sachverhalt unterrichtet.

Unabhängig von diesem konkreten Sachverhalt ist die Aufklärung von Mehrfachidentitäten und von möglichem Betrug von Sozialleistungen durch Asylsuchende ein zentrales Anliegen für das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport und der ihm nachgeordneten Behörden. Daher sind bereits frühzeitig entsprechende Maßnahmen zur Aufklärung dieser Fälle eingeleitet und verstärkt worden.

Die LAB NI hat bereits in der Vergangenheit entsprechende Verdachtsfälle den zuständigen Polizeidienststellen gemeldet. Auch die in der zitierten Berichterstattung dargestellten Fälle wurden am 1. Juni 2016 vollständig der zuständigen Polizei in Braunschweig übergeben.

Mit Schaffung der rechtlichen und technischen Voraussetzungen für ein einheitliches Identitätsmanagement durch das Datenaustauschverbesserungsgesetz, an dessen Umsetzung der Niedersächsische Minister für Inneres und Sport maßgeblich beteiligt gewesen ist und das im Februar 2016 in Kraft trat, wird eine eindeutige Identifizierung von Asylsuchenden ab dem ersten Kontakt und nicht wie bisher erst bei Asylantragstellung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sichergestellt. Alle Flüchtlinge werden seitdem unmittelbar nach ihrer Ankunft durch das BAMF oder seit April 2016 auch durch die LAB NI elektronisch registriert. Hierfür stehen der LAB NI entsprechende technische Geräte, sogenannte Personalisierungsinfrastrukturkomponenten (PIK) zur Verfügung, die u. a. mit Fingerabdruck-Scannern ausgestattet sind. Sämtliche Datensätze (einschließlich der Fingerabdrücke) werden bundeseinheitlich an zentraler Stelle im Ausländerzentralregister (AZR) gespeichert, die Fingerabdrücke werden mittels Fast-ID mit den im automatisierten Fingerabdruckidentifizierungssystem für Ausländer (AFIS-A) gespeicherten Fingerabdrücken verglichen. Damit ist sichergestellt, dass keine Registrierungen unter verschiedenen Personalien mehr möglich sind.

Außerdem wird mit diesem Verfahren ein systematisches Vorgehen zur Aufklärung von Mehrfachregistrierungen gewährleistet, ohne z. B. anhand eines manuellen Abgleichs von Fotos die Nadel im Heuhaufen suchen zu müssen oder alle Asylsuchenden unter einen Generalverdacht zu stellen. Auch stellt nicht jede Mehrfachidentität auch gleichzeitig einen Betrugsfall dar. Möglich ist zum Beispiel auch, dass sich Asylsuchende mehrfach registrieren lassen wollen, um einer Aufnahmeeinrichtung zugeteilt zu werden, die dem von ihnen gewünschten Aufenthaltsort im Bundesgebiet am nächsten kommt.

Da für die Landesregierung ein solides Identitätsmanagement schon bereits am Anfang der Flüchtlingsbewegung im Herbst 2015 wichtig war, ist bereits im Oktober 2015 in einem Pilotverfahren zusammen mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in der Erstaufnahmeeinrichtung Bramsche der LAB NI eine sogenannte „Bearbeiterstraße“ eingerichtet worden. In dieser wurden die Registrierung im System „Erstverteilung von Asylbegehrenden“ (EASY) und in der Niedersächsischen Ausländersoftware (NIAS) durch Landespersonal und die ED-Behandlung in Bundessystem MARIS durch Bundespersonal zeitgleich in einem Büro vorgenommen. Darüber hinaus wurde seitens der Polizeidirektion Braunschweig im Februar 2016 die Erstaufnahmeeinrichtung Braunschweig der LAB NI durch eine temporäre Leihe von sog. Live-Scan-Geräten unterstützt.

Insbesondere die LAB NI arbeitet aktiv an der Aufklärung von Mehrfachidentitäten. So hatte sie hierzu bereits im Herbst 2016 eine Projektgruppe eingesetzt, die ein Verfahren entwickelt hat, um die Nutzung von Mehrfachidentitäten in der Vergangenheit aufzuklären und seit Einführung des einheitlichen Identitätsmanagement erkannte Mehrfachidentitäten effektiv und effizient zu bearbeiten. Das Verfahren wurde vom Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport gebilligt und wird von der LAB NI umgesetzt. An allen Erstaufnahmeeinrichtungen werden nunmehr besonders zuständige Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter für die Thematik Mehrfachidentitäten eingesetzt.

Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden darüber hinaus mit Vertretern der Polizei in einer Expertengruppe zusammenarbeiten, um niedersachsenweit entsprechenden Verdachtsfällen nachzugehen. Durch diese Vernetzung aller Fachleute soll sichergestellt werden, dass in diesen Fällen überall und umfassend reagiert werden kann. Die Expertengruppe nimmt ihre Arbeit unverzüglich auf.

Bereits seit Frühsommer 2016 arbeitete das Land Niedersachsen gemeinsam mit den zuständigen kommunalen Ausländerbehörden und dem BAMF zusammen, um auch diejenigen erkennungsdienstlich zu erfassen, die zwar seit Herbst 2015 im EASY-System des Bundes registriert worden waren, aber nach dem damalig etablierten Verfahren durch das zuständige BAMF nicht erkennungsdienstlich behandelt werden und einen Asylantrag stellen konnten (sog. EASY GAP). Um diese Lücke zu schließen, unterstützte das Land Niedersachsen das BAMF insbesondere bei der Kommunikation mit den Ausländerbehörden, der Ladung und der Beförderung dieser bereits auf die Kommunen verteilten Personen zur Antragstellung. Personen, die dieser Einladung nicht nachkommen konnten bzw. nicht nachgekommen sind, wurden vom zuständigen BAMF ein zweites Mal persönlich geladen. Bei Personen, die auch nach dieser zweiten Aufforderung nicht zur Asylantragstellung erschienen sind, wird das Asylverfahren vom BAMF eingestellt; die Betroffenen werden damit ausreisepflichtig. Die nunmehr zuständigen kommunalen Ausländerbehörden ergreifen – ggf. in Zusammenarbeit mit der Polizei – die weiteren aufenthaltsrechtlichen Maßnahmen, wozu auch die nachträgliche erkennungsdienstliche Behandlung zählt. Sie werden hierbei vom Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport unterstützt.

3. Werden alle neuankommenden Flüchtlinge sowie unerlaubt eingereiste bzw. unerlaubt aufhältige Personen bei der Erstregistrierung mit digitalen Fingerabdruck erfasst? Wenn ja, seit wann? Wenn nein, wie viele Fälle werden im Jahr 2016 bei der Erstregistrierung mit digitalem Fingerabdruck erfasst, und wie viel Prozent der Fälle entspricht dies?

Die Standorte Braunschweig, Bramsche, Friedland, Oldenburg und Osnabrück der LAB NI wurden im Zeitraum vom 11. April 2016 bis 20. Mai 2016 mit den in der Antwort unter Frage 2 genannten PIK ausgestattet. Im Ankunftszentrum in Fallingbostel-Oerbke werden seit März 2016 die PIK der Außenstelle des BAMF zur Erstregistrierung genutzt.

Seit diesem Zeitpunkt werden die Fingerabdrücke ausnahmslos digital erfasst und zentral gespeichert; ein Fingerabdruckabgleich mit bereits registrierten Personen erfolgt automatisch, um Mehrfachregistrierungen zu vermeiden.

Die polizeilichen Dienststellen wurden in den Jahren 2008 und 2009 mit „Live Scan-Geräten“ ausgestattet. Die Polizei nutzt grundsätzlich „Live Scan“-Geräte, um Fingerabdrücke zu erfassen. Die kommunalen Ausländerbehörden verfügen in der Regel über keine Fingerabdruck-Scanner und sind gehalten, Flüchtlinge an die zuständige Erstaufnahmeeinrichtung weiterzuleiten.

Für die erkennungsdienstliche Behandlung von unerlaubt eingereist bzw. unerlaubt aufhältigen Personen sind die kommunalen Ausländerbehörden, die Grenzbehörden und die Polizei zuständig (§ 71 Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 8 u. 9 Aufenthaltsgesetz (AufenthG)). In diesem Fall sind die Ausländerbehörden gehalten, die Person an die nächste Polizeidienststelle mit „Live Scan“-Gerät weiterzuleiten.

Im Übrigen siehe Antwort zu Frage 2.

Presseinformation

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erstellt am:
03.02.2017

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