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Beantwortung der Mündl. Anfrage der CDU zur Durchsuchung des DIK Hildesheim (Teil 2)

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 19. August 2016; Fragestunde Nr. 28

Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport antwortet namens der Landesregierung auf die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Bernd-Carsten Hiebing (CDU) wie folgt:

Vorbemerkung des Abgeordneten

Am 27. Juli 2016 wurden die Räume des Deutschsprachigen Islamkreises Hildesheim e. V. „DIK“ durchsucht. Innenminister Pistorius sagte in einem Interview mit dem NDR am gleichen Tage, dass die Durchsuchung vorgezogen wurde, nachdem eine hannoversche Zeitung am gleichen Tage von einem drohenden Vereinsverbot berichtet habe.

In einem Interview mit dem NDR sagte Innenminister Pistorius laut einem Bericht auf der Internetseite des NDR vom 28. Juli 2016: „Die Sicherheitsbehörden haben die Moschee schon seit 2013 im Auge. Seit den letzten Monaten haben sich die Ermittlungen verdichtet mit dem Ziel, ein Vereinsverbotsverfahren vorzubereiten. Und in den letzten Wochen hat sich verdichtet, dass wir jetzt zuschlagen können, dass wir jetzt den Versuch unternehmen können, geeignetes Beweismaterial festzustellen und sicherzustellen. Das ist dann am Montag mit einem Beschlussantrag an das Verwaltungsgericht gegangen. Gestern ist die Maßnahme gelaufen, leider erschien gestern Morgen ein Zeitungsartikel zu dem Thema, was die Maßnahme sicherlich nicht erleichtert hat. (…)

Aber z. B. auch der Anruf bei der DIK durch die Zeitung ist natürlich entsprechend aufgescheucht worden. Und wir wissen natürlich nicht, welche genaue Wirkung das am Ende hatte.“ (Wortwörtlich transkribiert nach: https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/hannover_weser-leinegebiet/Wir-werden-eine-Anzeige-gegen-unbekannt-stellen,salafisten342.html)

In dem Interview kündigt er weiterhin die Erstattung einer Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Geheimnisverrates an.

In einem Beitrag des NDR-Magazins „Hallo Niedersachsen“ vom 28. Juli 2016 wird über die Durchsuchung mit Aufnahmen berichtet, in denen Polizeikräfte die Türen des Islamkreises mit Rammen öffnen und mit der Durchsuchung beginnen. Im gleichen Bericht werden Aufnahmen von Gesprächen mit Bewohnern des Viertels, in dem auch der Islamkreis beheimatet ist, gezeigt. Befragt wird dabei auch der SPD-Landtagsabgeordnete Lynack aus Hildesheim. Diese Aufnahmen wurden offensichtlich bereits vor der Durchsuchung gedreht.

Vorbemerkung der Landesregierung

Der „Deutschsprachige Islamkreis Hildesheim e.V.“ (DIK) steht seit längerer Zeit im Visier der Sicherheitsbehörden. Er wird bei der Niedersächsischen Verfassungsschutzbehörde seit 2012 als Beobachtungsobjekt „Salafistische Bestrebungen“ geführt.

Es handelt sich beim DIK um einen Verein, der sich zu einem Schwerpunkt der salafistischen Betätigungen in Niedersachsen entwickelt hat. Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport hat ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren nach § 4 Abs. 1 Vereinsgesetz gegen den DIK eingeleitet, da der Anfangsverdacht für das Vorliegen der Verbotsgründe des § 3 Abs. 1 Satz 1 Vereinsgesetz bejaht wurde. Es besteht der Verdacht, dass sich der Verein gegen die verfassungsmäßige Ordnung sowie gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet und seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider läuft.

Auf Veranlassung des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport fand am
27. Juli 2016 eine Durchsuchung der Räumlichkeiten des DIK in Hildesheim statt. In die Durchsuchungsmaßnahmen waren auch die Wohnungen von insgesamt 8 Vorstandsmitgliedern einschließlich mutmaßlicher Hintermänner des Vereins einbezogen. Grundlage für die Durchsuchungen war eine richterliche Durchsuchungsanordnung durch Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover vom 26. Juli 2016. Ziel der Maßnahme war das Auffinden von Beweismitteln, die im Rahmen des vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens von Bedeutung sein können.

Insgesamt wurden Mobiltelefone, PC, Laptops, Festplatten, eine größere Anzahl von Speichermedien, Schriftstücke und Dokumente sowie Bargeld sichergestellt. Das Beweismaterial wird zurzeit ausgewertet.

Das vereinsrechtliche Ermittlungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen.

Bereits am Morgen des 27. Juli 2016 veröffentlichte die „Neue Presse“ (NP) einen Artikel mit der Überschrift „Islamkreis droht Vereinsverbot. Behörden holen zum Schlag gegen Hardliner in Hildesheim aus“. Unter anderem heißt es darin: „Die Sicherheitsbehörden arbeiten seit einiger Zeit mit Hochdruck daran, genügend Belastendes gegen die muslimischen Hardliner zusammenzutragen. Nach Einschätzungen von Insidern könnten die Ermittler in wenigen Tagen zum entscheidenden Schlag gegen den Verein ausholen.“

Die vertraulichen Informationen, dass ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den DIK läuft sowie die Absicht, eine Durchsuchung durchzuführen, waren der Öffentlichkeit bis zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt. Aufgrund der vorgenannten Presseberichterstattung wurde die Durchsuchung unmittelbar vorbereitet und am 27. Juli 2016 ab 19 Uhr durchgeführt. Pressevertreter waren schon zu Beginn der Maßnahme vor Ort. Es ist daher davon auszugehen, dass Informationen durch jemanden, der mit dem Vorgang befasst war, bewusst an die Medien gegeben wurden. Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport hat deshalb bei der Staatsanwaltschaft Hannover Strafanzeige gegen Unbekannt wegen des Verdachts des Verrats von Dienstgeheimnissen und einer besonderen Geheimhaltungspflicht sowie aller übriger in Betracht kommenden Delikte erstattet.

Es wird darauf hingewiesen, dass die Vorbemerkung des Abgeordneten, Innenminister Pistorius habe am 27. Juli 2016 ("am gleichen Tage") in einem Interview gesagt, dass die Durchsuchung angesichts der Berichterstattung einer hannoverschen Zeitung vorgezogen wurde, nicht zutrifft. Innenminister Pistorius hat sich an diesem Tag insoweit nicht geäußert.

1. Haben die Landesregierung oder nachgeordnete Behörden mit Journalisten des NDR über eine bevorstehende Durchsuchung kommuniziert und dadurch ermöglicht, dass ein Team des NDR bereits den Beginn der Durchsuchung filmen konnte?

Nein.

2. Gab es bereits vor dem Bericht der Neuen Presse über ein Verbot des DIK Hildesheim Kontakte zwischen Innenministerium (einschließlich Verfassungsschutz) oder Polizei zu Medien über den DIK Hildesheim? Wenn ja, von welcher Stelle, zu welchem Zeitpunkt und mit welcher Thematik?

Es gab seitens des Innenministeriums weder Kontakte, die konkrete Durchsuchungsmaßnahme betreffend, noch was das Vereinsverbot anbelangt. Dass der DIK seit 2013 im besonderen Fokus der Sicherheitsbehörden steht, ist allgemein bekannt (vgl. hierzu insbes. Gr. Anfrage d. CDU v. 31. März 2015, Drs. 17/1455, sowie Gr. Anfrage der CDU v. 15. Dezember 2015, Drs. 17/5492). Über diesen Umstand gab es demnach auch immer wieder Pressekontakte und Anfragen der Medien bei den Sicherheitsbehörden, die sachgemäß beantwortet wurden. Das Spektrum der Medien reicht von Zeitungen, Magazinen über Hörfunk, Internet und Fernsehredaktionen. Allein im laufenden Jahr 2016 erfolgten eine Reihe von Anfragen. Diese wurden häufig im Zusammenhang mit einer Abfrage zur allgemeinen Entwicklung der salafistischen Szene in Niedersachsen gestellt, aber es gab auch konkret auf Hildesheim bezogene Anfragen. Es erfolgten allgemeine Bewertungen, welche Bedeutung der DIK als ein Schwerpunkt für die salafistische Szene in Niedersachsen hat, Nennungen von geplanten operativen Maßnahmen des Verfassungsschutzes oder der Polizei erfolgten nicht. Eine Einzelauflistung ist in der für eine mündliche Anfrage vorgesehenen Frist nicht möglich, in Hinblick auf die Frage, wer Durchsuchungsmaßnahmen verraten haben könnte, allerdings auch nicht von Relevanz.

Die Polizeidirektion Göttingen hat mitgeteilt, dass im Frühjahr 2016 ein Hintergrundgespräch zwischen Vertretern der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung (HiAZ) erfolgte und dass die PI Hildesheim am 28. Juni 2016 eine Pressemitteilung an die Hildesheimer Zeitung übersandte. Dabei wurde ein zuvor durch die HiAZ übersandter umfangreicher Fragenkatalog zum DIK Hildesheim nicht im Detail sondern zusammenfassend beantwortet. In Ergänzung gab es ein Hintergrundgespräch mit Vertretern der HiAZ, des Verfassungsschutzes, des Landespolizeipräsidiums und der Pressestelle MI. Dabei ging es ausdrücklich nicht um ein mögliches Vereinsverbot und auch nicht um eine damit zusammenhängende bevorstehende Durchsuchungsmaßnahme. Im Anschluss kam es zu einer umfänglichen Berichterstattung in der HiAZ am 2. Juli 2016.

Das Landeskriminalamt Niedersachsen hat die folgenden Medienkontakte mitgeteilt:

  • Interview der Hildesheimer Allgemeinen Zeitung mit Herrn Kolmey im Vorfeld der Veranstaltung „Im Fadenkreuz des islamistischen Terrorismus“ am 17. Februar 2016. Thema: Ausreisen aus Hildesheim, Bedeutung des DIK Hildesheim, Kooperationsgespräche DIK Hildesheim.
  • Öffentliche Veranstaltung am 17. Februar 2016 an der Uni Hildesheim „Im Fadenkreuz des islamistischen Terrorismus“, Thematisierung DIK Hildesheim, Kooperationsgespräche. Im Rahmen der Veranstaltung hat Herr Kolmey zum o. g. Thema einen Vortrag gehalten.
  • Interview Herr Kolmey beim NDR 1. Thema: Rolle des DIK Hildesheim in der salafistischen Szene Niedersachsen.

3. Auf welcher Grundlage oder wessen Information sprach Innenminister Pistorius in dem Interview mit dem NDR von einem Anruf der Zeitung beim DIK, der diesen aufgescheucht habe? Gab es einen solchen Anruf?

Die „Neue Presse“ schreibt sowohl in ihrer Print- als auch in ihrer Online-Ausgabe vom
27. Juli 2016 unter dem Titel „Hildesheim: Islamkreis droht Vereinsverbot“: „Nach Einschätzungen von Insidern könnten die Ermittler in wenigen Tagen zum entscheidenden Schlag gegen den Verein ausholen.“ Später wird darauf hingewiesen: „Der DIK war zu keiner Stellungnahme gegenüber der NP bereit.“ Der Chefredakteur der Neuen Presse hat in einem Telefongespräch gegenüber Minister Pistorius bestätigt, dass die Zeitung beim DIK angefragt habe. Zwar habe es keinen Anruf gegeben, der Verein sei aber per E-Mail kontaktiert worden. Gegenüber dem Chefredakteur hat Minister Pistorius zugesichert, künftig nicht mehr von einem „Anruf“ sondern einer „Anfrage“ der Zeitung beim DIK zu sprechen. Auf zahlreiche Presseanfragen hat Minister Pistorius am 28. Juli 2016, dem Tag nach der Durchsuchungsmaßnahme, geantwortet, dass durch die Presseberichterstattung die Maßnahme zwangsläufig deutlich vorgezogen werden musste, was auch zu einer Gefährdung von Polizeibeamtinnen und -beamten hätte führen können.

Presseinformation

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erstellt am:
19.08.2016

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