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Kriminalitätsbekämpfung im Gaststättenbereich

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 18.02.2010; Fragestunde Nr. 33


Innenminister Uwe Schünemann beantwortet die Kleine Anfrage der Abgeordneten Johann-Heinrich Ahlers und Hans-Christian Biallas (CDU); Es gilt das gesprochene Wort!

Die Abgeordneten hatten gefragt:

Wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung am 19. Januar 2010 berichtete, verfolgt die Polizei in Hannover Mitglieder der russischen Schutzgeldmafia. Die Polizei erklärt, dass die russischen Schutzgelderpresser plötzlich in Kneipen oder Betrieben ihrer Landsleute auftauchen und hohe Summen von den Geschäftsleuten verlangen. Im Gegenzug kündigten sie an, den Betrieb künftig vor möglichen Übergriffen schützen zu wollen. Bei Verweigerung der Zahlung sollen die Kriminellen massiv Druck ausüben und ihre Landsleute bedrohen.

Es handelt sich, so teilt die Polizei weiter mit, um Fälle Organisierter Kriminalität, über deren genaue Ausmaße in Hannover noch keine genauen Erkenntnisse vorlägen. Mit verschiedenen Aktionen, wie z. B. dem Aufruf in einer russischsprachigen Zeitung oder einem Faltblatt zum Thema Schutzgelderpressung versuchte die Polizei in der Vergangenheit, Zeugen und Opfer ausfindig zu machen, um auf diese Weise die Täter zu fassen. Die Problematik im Rahmen der Schutzgelderpressung bestehe gerade darin, dass die Opfer meist die einzigen Zeugen sind und aus Furcht vor den Erpressern keinen Kontakt mit der Polizei aufnehmen.

In den letzten Jahren hat sich die Schutzgelderpressung in Deutschland deutlich ausgeweitet, wobei auch die ländlichen Gebiete nicht verschont sind. Die Schutzgelderpressung stellt keinen einzelnen Straftatbestand des Strafgesetzbuches dar. Vielmehr werden mit dieser Handlung u. a. die Tatbestände des Hausfriedensbruches, der Sachbeschädigung, der Nötigung oder der Körperverletzung erfüllt.

Wir fragen die Landesregierung:

  1. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung über Schutzgelderpressungen in Niedersachsen vor?
  2. Welche Maßnahmen und Initiativen hat die Landesregierung bisher ergriffen, um die Situation zu verbessern?
  3. Wie können sich potenzielle Opfer gegen Schutzgelderpressungen besser schützen?

Innenminister Uwe Schünemann beantwortete namens der Landesregierung die Kleine Anfrage wie folgt:

Nach der im Mai 1990 von der AG Justiz/Polizei verabschiedeten Arbeitsdefinition liegt "Organisierte Kriminalität" vor, wenn es sich um eine von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten handelt, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, und mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig

a) unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen,

b) unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder

c) unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft

zusammenwirken.

Der Begriff der Schutzgelderpressung beschreibt einen speziellen Fall der Erpressung gemäß § 253 StGB. Es handelt sich eher um eine kriminalistische Umschreibung einer besonderen Variante der Tatausführung. Nicht immer sind lediglich Zahlungen von Geldbeträgen das Ziel der kriminellen Täterhandlungen. Denkbar ist auch der Zwang, das Opfer zur Inanspruchnahme bestimmter Dienstleistungen oder zum Einkauf von (überteuerten) Waren bei bestimmten Händlern zu nötigen. Bei der Schutzgelderpressung beherrscht die Angst der Opfer das Geschehen. Hinzu kommt mangelndes Vertrauen in die Fähigkeiten und Möglichkeiten der Sicherheitsbehörden, die bei ausländischen Opfern darauf beruhen können, dass heimische Erfahrungen über staatliche Strukturen auf Deutschland übertragen werden. Schutzgelderpressung kann auch die Form von Organisierter Kriminalität annehmen.

Da die Tathandlungen zumeist verdeckt ablaufen findet dieser Deliktsbereich in der Öffentlichkeit wenig Beachtung.

Dies vorangestellt, beantworte ich die Mündliche Anfrage auf Grundlage der Berichterstattung des Landeskriminalamtes Niedersachsen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1.:

In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) wird die Erpressung zur Erlangung von Schutzgeld seit dem 01.01.2008 gesondert erfasst. Im Jahr 2008 wurden in Niedersachsen neun derartige Straftaten registriert. Acht Delikte konnten aufgeklärt und insgesamt 14 Täter ermittelt werden. In fünf Fällen handelte es sich um Einzeltäter. Von den neun Taten entfielen zwei auf den Bereich der Polizeidirektion Hannover.

Für das Jahr 2009 waren 20 Straftaten (davon drei im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Hannover) zu registrieren, wovon 13 Delikte aufgeklärt werden konnten. Von den insgesamt 17 ermittelten Tätern agierten zehn Personen alleine.

Insbesondere der Anteil der alleinhandelnden Täter spricht vordergründig eher für eine schlichte, nicht dem Bereich der Organisierten Kriminalität zuzurechnende Variante der Tatbegehung.

Unter den Tatverdächtigen aus den Jahren 2008 und 2009 befanden sich deutsche, vietnamesische, türkische, aserbaidschanische, syrische, libanesische und iranische Staatsangehörige. Die Geschädigten besaßen die spanische, türkische, griechische, italienische und deutsche Staatsangehörigkeit.

Zu 2.:

Das mutmaßlich hohe Dunkelfeld zu erhellen, die Täter strafrechtlicher Verfolgung zuzuführen und potentiellen Opfern ein Höchstmaß an Gerechtigkeit zukommen zu lassen, ist unabdingbarer Bestandteil nachhaltiger Bekämpfung insbesondere im Bereich der Organisierten Kriminalität. Vorrangiges Ziel ist die Sensibilisierung potenzieller Opfer und die Erhöhung der Bereitschaft zur Kontaktaufnahme zur Polizei.

Dabei kommt es auch darauf an, das Vertrauen von ausländischen Geschäftsinhabern zu gewinnen. Kulturelle Hürden und Sprachdefizite erschweren dieses Ziel.

So wird z. B. durch die Polizeidirektion Hannover als Strategie zur Aufhellung des deliktischen Dunkelfeldes der Schutzgelderpressung direkte Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Neben der Verteilung von bilingualen Flyern in den betreffenden Zielgruppen, wie beispielsweise in russischen Vereinen und Religionsgemeinschaften, wurden Pressemitteilungen an örtliche und überörtliche russischsprachige Printmedien zur Veröffentlichung versandt. Ziel war es hierbei, die Opfer oder Zeugen von Schutzgelderpressungen zur Mitarbeit mit der Polizei zu bewegen. Bislang haben sich hieraus keine weiteren Erkenntnisse ergeben.

Außer den repressiven strafprozessualen Maßnahmen, einer fortwährenden Analyse des Deliktsbereichs sowie Sensibilisierung der polizeilichen Sachbearbeiter werden fortlaufend geeignete Maßnahmen zur Erhöhung der Anzeigebereitschaft geprüft.

Zu 3.:

Das Opfer eines Erpressungsversuchs sollte sich frühestmöglich den Strafverfolgungsbehörden offenbaren und Schutz sowie die Strafverfolgung ermöglichen und unterstützen. "Wer schweigt, verliert!" ist ein in diesem Zusammenhang wesentlicher Grundsatz. In der Regel begibt sich das Opfer in einen Kreislauf, der – nach anfänglich oftmals moderaten Forderungen – in ein stetig intensiver werdendes Abhängigkeitsverhältnis mündet. Es ist eine irrige Annahme vieler Opfer, dass sich die Täter mit einer Einmalzahlung zufrieden geben. Gleichwohl ist festzuhalten, dass die Täter ihre illegalen Forderungen mit möglichst geringem Risiko durchsetzen wollen. Sie lassen erfahrungsgemäß von ihrem Vorhaben ab, wenn die Opfer sich wehren oder die Polizei einschalten.

Artikel-Informationen

erstellt am:
18.02.2010
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010

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