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Niedersächsisches Verfassungsschutzgesetz

Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 14.01.2009; TOP 4 + 5


Rede von Innenminister Uwe Schünemann zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Verfassungsschutz-gesetzes, des Niedersächsischen Sicherheitsüberprüfungsgeset-zes und des G-10-Ausführungsgesetzes; Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Damen und Herren,

wenn das Niedersächsische Verfassungsschutzgesetz heute den Landtag passiert, hat Niedersachsen das modernste Verfassungsschutzgesetz bundesweit, in dem einerseits die wesentlichen Instrumente enthalten sind, um im Hinblick auf die Bedrohungslage eine maximale Erkenntnisgewinnung zu erreichen, in dem aber auch andererseits wie sonst in keinem Verfassungsschutzgesetz die Rechte der Betroffenen durch verfahrenssichernde Maßnahmen geschützt werden. Ich bin deshalb auch froh darüber, dass dem Gesetz in den Ausschüssen eine breite Mehrheit (CDU / FDP / SPD) zugestimmt hat und sie wohl auch in der Endabstim-mung finden wird. Das spricht für ein vernünftiges Miteinander bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus und der Beobachtung verfassungsfeindlicher Bestrebungen.

Es scheint mir angesichts der zum Teil irreführenden Berichterstattung der letzten Wochen wichtig zu sein, an dieser Stelle ganz deutlich festzustellen, dass durch den Gesetzentwurf keine neuen Befugnisse für den Verfassungsschutz geschaffen werden sollen. Vielmehr behalten lediglich die vor fünf Jahren durch den niedersächsischen Gesetzgeber eingeführten Regelungen weiterhin Geltung und werden an einigen Stellen praxisorientiert fortentwickelt, parallel zu den bereits Anfang 2007 in das Bundesverfassungsschutzgesetz eingefügten Änderungen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

das Gesetz wurde intensiv im parlamentarischen Verfahren beraten; Hinweise und Anregungen des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes (GBD) wurden erörtert und in Teilen auch übernommen. Hierzu zählen z.B. die Berücksichtigung aktuellster Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes – diese gab es bei der Einbringung der Vorlage noch gar nicht.

Sie sehen, das jetzt hier zur Abstimmung stehende Gesetz ist modern, grundrechtssichernd und hochaktuell. Es ist damit beispielgebend für zukünftige Gesetzgebungsverfahren im Bund und in den Ländern.

Sehr geehrte Damen und Herren,

der niedersächsische Gesetzgeber hat im Jahr 2004 - in Anlehnung an das Terrorismus-Bekämpfungsgesetz des Bundes – unter anderem aus den terroristischen Anschlägen vom 11. September 2001 die Konsequenzen gezogen und den niedersächsischen Verfassungsschutz mit neuen Befugnissen und Mitteln ausgestattet. Insbesondere wurden in das Verfassungsschutzgesetz - entsprechend den Regelungen auf Bundesebene - Auskunftspflichten für Luftfahrtunternehmen, Banken und Telekommunikationsunternehmen, der Einsatz des sog. IMSI-Catchers zur Ermittlung der Geräte- und Kartennummer von Handys sowie darüber hinaus auch Regelungen zur Wohnraumüberwachung eingeführt. Im Niedersächsischen Sicherheitsüberprüfungsgesetz wurde - ebenfalls in Angleichung an die Bundesregelungen – der sog. vorbeugende personelle Sabotageschutz eingeführt, wonach sich Mitarbeiter in lebenswichtigen Einrichtungen einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen müssen.

Die als besonders sensibel angesehenen Regelungen wurden – im Gleichklang mit dem Bundesrecht - mit einer Befristung sowie mit einer Berichtpflicht an den Landtag versehen. Die Befristung läuft nunmehr am 2. Februar 2009 aus. Dementsprechend rechtzeitig vorher wurde von meinem Hause ein Bericht erstellt, der Aufschluss über die Häufigkeit und die sonstigen Einzelheiten der Anwendung der neuen Befugnisse und Mittel gibt und Ihnen bereits zur Beratung vorgelegen hat. Der Bericht macht deutlich, dass der Verfassungsschutz von den ihm zur Verfügung stehenden nachrichtendienstlichen Mitteln und Auskunftspflichten stets zurückhaltend Gebrauch macht und immer auch den damit verbundenen Grundrechtseingriff besonders in die Abwägung mit einbezogen hat.

Dem Bericht ist auch zu entnehmen, dass sich die Befugnisse in der Praxis grundsätzlich bewährt haben und für die weitere Aufgabenerledigung unverzichtbar sind. Angesichts der anhaltend problematischen Gefahrenlage wäre es auch geradezu fahrlässig auf diese Mittel zur Erkenntnisgewinnung zu verzichten. Zu diesen Mitteln gehören insbesondere die Auskunfts-ersuchen gegenüber Banken, Luftfahrtunternehmen und Telekommunikationsdienstleistern.

Sehr geehrte Damen und Herren,

auch das nachrichtendienstliche Mittel der Wohnraumüberwachung ist für den Verfassungsschutz unverzichtbar. Natürlich gehen wir mit diesem Instrument sehr sensibel um. Angesichts der Intensität des Grundrechtseingriffs und der hohen verfassungsrechtlich vorgegebenen Schwelle wird es sicher nur auf wenige extreme Fälle beschränkt bleiben. Es sind aber durchaus Konstellationen denkbar, in denen der Verfassungsschutz in der Lage sein muss, zur Abwehr einer dringenden Gefahr eine Wohnraumüberwachung durchzuführen. Das ist in den Ausschussberatungen ausführlich dargelegt worden.

Die durch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung über den so genannten Großen Lauschangriff getroffenen Regelungen über den Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung sind in das Verfassungsschutzgesetz eingeflossen. Insoweit wird das Gesetz jetzt der Rechtsprechung unseres höchsten Gerichts angepasst und zwar in Anlehnung an die Regelungen des SOG.

Sehr geehrte Damen und Herren von den Grünen,

lassen Sie mich an dieser Stelle kurz Stellung nehmen zu Ihrem Änderungsantrag, der eine Streichung der Wohnraumüberwachung vorsieht – u. a. weil sie bisher nicht angewendet wurde.

Diese Argumentation kann ich nicht nachvollziehen. Vielmehr zeigt es doch, wie zurückhaltend und sensibel wir mit dieser einschneidenden Maßnahme umgehen. Wie hätten Sie argumentiert, wenn wir großzügiger gewesen wären?

Mit der Regelung zur Wohnraumüberwachung berücksichtigen wir in vollem Umfang die in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur akustischen Wohnraumüberwachung nach der Strafprozessordnung geforderten Kriterien. Wenn Sie, Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, die Ausschussberatungen aufmerksam verfolgt hätten, müsste Ihnen das nach den intensiven Diskussionen und den Ausführungen insbesondere auch des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes bekannt sein. Ihnen müsste ebenfalls bekannt sein, dass das Instrument der Wohnraumüberwachung in Niedersachsen keineswegs im Vorfeldbereich, wie Sie in Ihrer Antragsbegründung schreiben, sondern nach der ausdrücklichen Regelung in § 6 b zur Abwehr einer dringenden Gefahr eingesetzt werden soll. Auch diese Frage wurde intensiv in den Ausschussberatungen erörtert.

Sehr geehrte Damen und Herren,

neben dem Kernbereichsschutz bei der Wohnraumüberwachung führen wir den Kernbereichsschutz auch bei anderen nachrichtendienstlichen Mitteln ein, beispielsweise bei der akustischen Überwachung außerhalb von Wohnungen und bei dem Einsatz von V-Leuten. Hinzu kommt zur weiteren Absicherung von personenbezogenen Daten und zum Schutz der Betroffenen eine Kennzeichnungspflicht für alle Informationen, die mit nachrichtendienstlichen Mitteln eingeholt wurden und eine Benachrichtigungspflicht bei dem Einsatz spezieller nachrichtendienstlicher Mittel, wie z.B. einer längerfristigen Observation.

Nachdem sich die vor 5 Jahren eingeführten neuen Mittel und Befugnisse bewährt haben, sollen Sie nunmehr überwiegend ohne Befristung weiter gelten. Bei Anwendung insbesondere der besonderen Auskunftspflichten haben sich allerdings Optimierungsmöglichkeiten ergeben, die zusätzlich mit dem vorliegenden Gesetzentwurf umgesetzt werden sollen. Dieser Optimierungsbedarf wurde auf Bundesebene bereits 2007 gesehen und durch das Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz im Bundesverfassungsschutzgesetz umgesetzt. An diese Gesetzeslage im Bund lehnt sich der vorliegende Gesetzentwurf ganz überwiegend an.

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit diesem Gesetz wird auch § 32 Abs. 5 des Niedersächsischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung geändert. Die Vorschrift regelt den Einsatz von automatisierten Kennzeichenlesesystemen, die sich in Niedersachsen – nach einer Pilotphase – seit Anfang 2008 bei allen Polizeidirektionen im Einsatz befinden. Im März 2008 hatte das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung über das hessische und das schleswig-holsteinische Polizeigesetz Anforderungen an Regelungen über Kennzeichenlesesysteme formuliert. Auch in § 32 Abs. 5 Nds. SOG werden daher jetzt die Voraussetzungen für den Kennzeichenabgleich und für die Verwendung von Trefferdaten noch deutlicher formuliert. Wichtig ist, dass die bisherige Einsatzpraxis bereits diesen Vorgaben entsprach und wie bisher fortgesetzt werden kann.

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit ihrem Gesetzentwurf zur Änderung des Niedersächsischen G-10-Ausführungsgesetzes will die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN die Kontrolle des Verfassungsschutzes verbessern. Die Landesregierung begrüßt grundsätzlich solche Bestrebungen. Wir wollen einen effektiven Schutz unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung; dazu gehört natürlich auch die Kontrolle derer, die für diesen Schutz verantwortlich sind. Das ist eine wesentliche Voraussetzung für den Verfassungsschutz im Rechtsstaat.

Allerdings habe ich Zweifel, ob die Grünen mit ihrem Gesetzentwurf überhaupt eine Verbesserung erreichen würden. Ich will das begründen:

  1. Sie führen zu Unrecht an, die Kontrolle müsse verstärkt werden, weil die Befugnisse des niedersächsischen Verfassungsschutzes erweitert worden seien. Sie sind nicht erweitert worden; alle Befugnisse, die jetzt im Gesetz stehen, stehen dort seit fünf Jahren.
  2. Sie führen zu Unrecht an, dass ein regelmäßiger Sitzungsturnus die Arbeit verbessern würde. Sie wird dadurch nicht besser, da die Kommission bei notwendigen Beschränkungsmaßnahmen jeweils sofort oder sehr zeitnah zusammengerufen werden muss.
  3. Sie fordern eine Vergrößerung der Kommission. Eine Begründung liefern Sie dafür nicht, so dass mir der Sinn verschlossen bleibt.
  4. Sie fordern die Ausweitung der Kontrollkompetenz des Datenschutzbeauftragten. Die G-10- Kommission ist aber gerade eine spezielle Datenschutzinstanz, die diese Aufgabe wahrnimmt. Für den Fall, dass die niedersächsische Kommission darüber hinaus die Sachkunde des Datenschutzbeauftragten benötigt, hat sie bereits jetzt ein uneingeschränktes Recht, ihn jederzeit zu konsultieren, ihn mit Kontrollen zu beauftragen und Stellungnahmen anzufordern.

Für mich wirkt der Gesetzesentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen reichlich aktionistisch. Vielleicht bieten ja die Ausschussberatungen den Autoren noch Gelegenheit, ihre sachlichen Motive zu vertiefen.

Presseinformationen Bildrechte: Land Niedersachsen

Artikel-Informationen

erstellt am:
14.01.2009
zuletzt aktualisiert am:
20.05.2010

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